Monday, July 24, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 10.+11. juli 2006

10.7.

new york

mit dem greyhoundbus um 55 dollar nach n.y. roundtrip.
durch wälder und wälder und wälder und wälder. doch geh nie aufs klo im bus. erstes problem: der weg dahin. gezielte schaukelbewegungen des busses, durchaus gewollt vom chauffeur, der eine wette laufen hat, wie viele er von den beinen holt, lassen einem die chance, allen friedlich sitzenden, die man passiert, eine zu verpassen oder sich die hüfte an einer rückenlehne zu demolieren, beides reizvoll. ältere sind chancenlos. sie tapern verloren dahin, sich an der gepäckablage stabilisierend.
zweites problem: die kotzlust zu überwinden, wenn man das klo sieht.
drittes problem: trotzdem sein geschäft zu verrichten, und zwar trotz der heftigen schwerkraftschwankungen und fliehkräfte und dabei der optik des klos nicht noch weiteren schaden zuzufügen.
viertes problem: nicht von der gefährlich schwappenden brühe von unten angeklatscht zu werden.

ich schaffe es und bin froh, dass es kein foto von meinen entsetzlichen schwebezuständen über dem orkus gibt.
die nächste scheisse, die mich erwartet ist eine fetzerei mit franzi, die meine bemühungen, herauszufinden, welchen weg wir gerade nehmen mit zunehmend verächtlichem gymnasiastenspott kommentiert. ich fahr ihr über´s maul und die stimmung ist auf unter null. jeder erlebt für sich alles weitere und ich nehme mir vor, herauszufinden, ob die fetzerei der beginn der unausweichlichen urlaubskrise ist, die mir noch aus letztem jahr in bester erinnerung ist. das hat tage gedauert, bis da wieder basis-kommunikation möglich war.
nach einem entsetzlichen umweg laufen wir im times square ein, einer heißen hölle unter der erde voller röhrender greyhounds und voller benommen aus den bussen taumelnder reisender. und schon wartet die nächste kühlhalle, um uns sofort in das gedärm der metro zu stoßen die nichts von airconditioning gehört und gesehen hat.
wir schaffen es in die 1 und erfahren bald in gebrochenem deutsch, dass wir die expressbahn erwischt haben. ist aber nicht schlimm, wir müssen nur eine station zurück und entsteigen dieser stickigen hölle um direkt am broadway höhe 79. straße aufzutauchen. erstes ohh. das hotel ist schnell erreicht, in ordnung und wir pausieren ein bisschen. es heißt hotel 307 und das ist exakt die zimmernummer unseres bisherigen hotel tria.
dann in der dämmerung die erste exkursion um den block. übrigens verfolgt uns das verbrechen. in freshpond gab es letzte nacht eine vierfache verhaftung nach verfolgungsjagd einer autodiebesbande inclusive schießerei auf dem parkplatz direkt neben unserem hotel. wir hörten nichts, weil low cool alles übertönte, und in lower east ist gerade ein haus in die luft geflogen, der versuch eines zahnarztes aus der welt zu scheiden, gescheitert im übrigen. wir essen beim italiener pizza, salat und linsensuppe und alle ungemach ist vergessen. franzi und ich diskutieren, ob man jemand brauchen sollte. es geht um unabhängigkeit innerhalb einer beziehung. jutta kichert jedes mal irre, wenn ich was dazu sage. sehr unpassend, wie wir beide finden. deshalb schicken wir sie auf den dachboden der pizzeria zum aufräumen. dort wird sie den aufgelassenen busbahnhof erforschen können, den die italiener stück für stück hier aufgebaut haben. in der zwischenzeit beenden wir das thema mit einem dossier, das morgen am times sqare veröffentlicht und anschließend in form von flugblättern im central park verteilt wird. jutta kommt zurück und ist sauer, weil sie sich schmutzig gemacht hat. selber schuld.
wir kaufen karten, zeitung und frühstück und als es fast dunkel ist, ist da euphorie in den augen meiner tochter, die sonst nicht so leicht hinter dem ofen hervorkommt. der broadway glitzert milde und einige häuser jenseits des hudson zwinkern uns aus vielen wachen augen zu.

11.7.

erster tag: nach south manhattan, ground zero durch die wall street und lady lib besuchen. finale am times square.

lady liberty wartet. ich liege wach, es ist sieben und low cool macht auf boeing 747. ich bedaure sehr, keine laufschuhe mitzuhaben und durch den central joggen zu können. aber nach diesen worten und dem morgendlichen abschlagen werde ich zumindest den hudson aufsuchen und ihm huldigen, vielleicht ein kurzes bad darin nehmen und einem kanalkrokodil zum opfer fallen.

den hudson habe ich überlebt, d.h. die vielen doggodile, joggodile und bike-odile und automodile. der flusspark ist sehr schön, breit von hohen bäumen beschattet und voller blüten. ein paar leute scheinen da auf den bänken gepennt zu haben und sind nicht ermordet aufgewacht. ich komme aus dem staunen überhaupt nicht heraus in diesem land. es türmt sich da am parkrand ein gebirge aus dunklem fels gegen die randstraße mit der ersten häuserreihe. die ganze insel, all diese wolkenkratzer, shops, starbucks, millionen menschen reitet auf buckligem wildschönem felsgebirge neben dem hudson zum meer.
ich muss zurück und versuche aus irgendeinem diner noch ein paar päckchen zucker mitgehen zu lassen für unseren instant kaffee. vor einer kirche liegen 3 menschen in pappschachteln, wie in sarkophagen und schlafen, während die stadt erwacht. wir frühstücken und wappnen uns für eine tour de force.

mit der 1 geht es laaange 12 stationen nach süden. der ausstieg überwältigt nicht gerade. es geht durch dreckige laute straßen mit einem beeindruckenden amish laden und restaurant in richtung financial district. und dann am ende der straße eine barrikade.
ground zero wäre nur noch eine riesen baustelle, würde nicht auf plakaten immer wieder mal hingewiesen auf das, was da vor jahren passiert ist. ich versuche mich, in den piloten zu versetzen, der diese herrlichen türme auf sich zukommen sieht, den touristen in der nähe, der dieses seltsamen geräusch hört, das vermutlich nicht sehr laut war, weil der grundpegel hoch liegt. das gelände ist riesig und wir umwandern es zur hälfte. wenn ich arabischer mann wäre, der amerikanischem mann wehtun möchte, würde mir auch als erstes einfallen, diese präpotenten schwänze von hochhäusern niederzukastrieren. durch sengende feuchte hitze finden wir die wall street und rasten am haupteingang der börse, hingeflezt auf eine steinbank, während die börsenheinis wie die bienchen in ihren und aus ihrem stock schwirren, man nennt das hier „stock exchange“.
noch intensiver erholen wir uns im nahegelegenen starbucks.
richtung ferry geht es durch enge hochhausschluchten, durch die in the day after tomorrow so schön das wasser schiesst richtung brooklyn bridge, die in godzilla so schön demoliert wird. als wir das terminal erreichen, wollen die mädels plötzlich gar nicht mehr aufs schiff und ich bin zumindest überrascht und muss mich niedersetzen. so sitzen wir in dieser seltsamen clinton-festung, in der es die tickets gibt und versuchen zu sondieren, wer eigentlich was überhaupt will, auf keinen fall will, möglicherweise lieber möchte, eigentlich drauf scheisst usw. über eine meinungsbildung, deren verlauf ich gar nicht mehr nachvollziehen kann, kommen wir zur entscheidung: wir fahren nach liberty island und alle wollen das auch.
zur ferry gelangt man über ein zickzacklaufstallsystem inklusive röntgencheck wie am airport, gescheucht von uniformiertem gebrüll von anweisungen oder auch deutlichem gewinke, wie beim straßenverkehr. wir werden aufs oberdeck zu den besten plätzen gespült und geben sie nicht mehr her. wir steigen weder auf liberty noch auf ellis eiland aus und genießen das sich entfernen von den wolkenkratzern, das rituelle umtanzen der lady liberty. die nicht so riesig ist, wie in der vorstellung. auch mannhattans hochhausbestachelung hatten wir uns dichter vorgestellt, all das wird wohl in den medien übertrieben. wir sind zufrieden mit unserer tour, auch weil das schiff manchmal sehr schön schaukelt. die menschen stehen an deck, sind friedlich und fotografieren viel. an der anlegestelle erwarten uns 2 typen einer breakdance-gruppe, die sich ein publikum zusammensuchen.
zurück klappern wir uns durch starbucks und shops zur zwischenkühlung, erwerben unterhosen von calvin kline, eine xl sonnenbrille, t-shirts, die unsere liebe zu new york bezeugen.
unser erster tag endet am times square. dort ist das auftauchen aus der metro gewaltig, weil direkt zwischen die schluchtenwände. etwas benommen fotografieren wir diese projektionsflächen für all das, das uns interessieren sollte. ein gewaltiges kapitalistisches lustzentrum fürs auge.
schnöde shops bieten 5 new york t-shirts um 10 dollar, der nächste 6 und am ende sind es 7 t-shirts, die wir nicht erwerben. nur die lausigen magnete bleiben an uns kleben.völlig fertig landen wir kurz vor unserem hotel in irgensoeinem nick´s burgerschuppen mit einem schroffen miststück von kellnerin, die einem dauernd über´s maul fährt und überrascht aufgiekst, als sie sieht, dass ich ihr ein gutes trinkgeld gegeben habe. die speisekarte ist ein vollgepacktes a5 heftchen ohne jeden glanz, durchsetzt mit massenhaft proben aller angebotenen speisen. franzi isst fries, jutta einen avocado-salat und ich passenderweise einen boston burger mit baked beans und dazu einen halben liter köstliches eisiges heineken, das alles für 32 dollar, sitzend am broadway, von allen göttern verlassen, von allen teufeln umschwirrt und jeder menge yellow cabs.

fortsetzung folgt erst demnächst wegen rückflugs.

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