Monday, July 24, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 8.+9. juli 2006

8.7.
läufchen nach harvard über concord ave
museum of science
fußball-wm, spiel um den 3.platz
einladung zum dinner bei cynthia und richard

richard holt uns gegen 6 p.m. ab, d.h. eine halbe stunde später, weil richard ja fotografieren muss. durch den park zur huron ave, was ebenfalls die doppelte zeit braucht, weil ja richard fotografieren muss. er bleibt stehen wegen einer blüte, einer schnecke, wegen hunden, irgendwas auf dem wasser, fireflies, und dingen von denen wir nie erfahren werden. er ruft cynthia an, dass wir uns verspäten. die ist diesen kummer gewohnt. der anruf hat auch lange gedauert, weil richard durch das viele fotografieren nicht richtig gelernt hat, wie man mit dem handy umgeht.
endlich da, wir wurden mehrfach vor dem haus abgelichtet, begrüßen wir cynthia. sie zeigt uns das haus, bewirtet uns fürs erste. aber das eis bricht schnell, als wir uns fotoalben anschauen und einblick nehmen in familienverhältnisse und vergangenes.
cynthia´s familie kommt aus new jersey. ihr vater lebt vom automobilhandel.. für jedes mitglied der familie gab es ein eigenes fahrzeug. grundsätzlich war alles, was motorisiert war, willkommen, wie jetski, rasenmäher, bikes usw. richard ist bei der familie nicht so beliebt, weil er ja ein verweigerer und systemkritiker ist. er wurde gar von fbi-beamten verhaftet und saß dann ein weilchen, während des vietnamkrieges. er schaftt es, unsrem mitgebrachten barrique-rotwein von meister mawe aus gols fruchtsaft hinzuzufügen. hier wäre eine weitere verhaftung angebracht gewesen und als angemessene strafe eine woche erntearbeit in einem burgenländischen weingarten.
einige gespräche, cherry-weed biere und snacks später wissen wir genug voneinander, dass wir die unterhaltung genießen können.
wir lachten eine menge, noch mehr franzi über uns, denn in amerika ist alles strange. wir werden freunde, zumindest für den abend und wir erhalten unterkunftserlaubnis für eine woche, mit terasse vorm schlafzimmer. wahrhaftig eine positive klimaerwärmung. richard begleitet uns mit cassidy dies auf dem schnellsten weg ohne pause , weil es ja zu dunkel zum fotografieren ist, zum hotel.

nachtrag zu richard:
der vater seiner frau war ein reicher mann in boston. sein traum war, in wien bei reich zu studieren. sein vater verbietet es ihm und so mutet es posthypnotisch an, dass es schließlich richard ist, der nach wien zu reichs lausigstem schüler zieht.
aus der lockeren verbindung richard´s mit seiner ersten frau, stammt seine tochter cheyenne.

9.7.

lauf zum charles river, weiter am ufer bis harvard, zurück über concord ave
eigentlich nixtun:
jutta und franzi in den fresh pond zum chillen
zurück zum endspiel um 2p.m.
ich mit der red line zum strand in der nähe der jfk bibliothek
abends packen für n.y. morgen früh

ich liebe diese läufe, weil sie mich mit dem land alleine lassen und ich mir die orientierung erarbeite und mein revier erkunde und mein refünf erweitere. beim underground fahren sieht man nichts, beim busfahren huscht alles vorbei und man ist sealed, d.h. kein geruch kein geschmack und leichte verdunkelung, beim laufen ist alles wahrnehmbar mit allen sinnen und beim spazieren gehen kann man noch dazu drüber quatschen.
langsam getraue ich mich, wie gewohnt straßen zu überqueren, wenn sie frei sind und nicht an den vorgesehenen übergängen, das ersetzt die gefahr und die instinkterfordernis der freien wildbahn. ich werde gejagt und versuche zu überleben. anfangs schwerfällig beginne ich raum zu greifen und das vorwärts kommen ermutigt mich und lässt die schwere schmelzen. nach dem frühstück trennen wir uns, wie geplant und meine odyssee mit der red line beginnt. die ist übers wochenende unterbrochen zwischen kendall m.i.t und park street. dazwischen verkehren shuttle busse. das ganze öffentliche verkehrspack wird von t-gelbhemden (denen mit der größten klappe) geleitet, dirigiert. es ist wie eine stampede, hin und wieder reitet der cowboy in die herumtaumelnde menge und drängt sie an den richtigen rand, um eine andere herde durchzulassen. die typen müssen abends so was von heiser oder gar stimmlos sein. in den transitzonen schlägt die sommerhitze gnadenlos zu und taut die niedergekühlten insassen auf. ich erreiche jfk und stehe in so einer stadtrandwüste mit ausfallstraßen und seltsamen und massenhaft betonierten flächen. es riecht nach abgasen, ist laut und heiss. der weg zum strand ist nicht ausgeschildert, aber die himmelsrichtung hilft mir. es gehört eigentlich alles noch zu boston harbour und vorgelagertes inselzeugs lässt das meer zum teich werden mit sanftem wellengeplätscher wie an der adria. das wasser ist so eisig, dass ich nur einmal komplett eintauche und es nicht bis zum paradoxen hitzeempfinden schaffe. überall liegen muscheln im gelblichen sand und farblose quallenfladen haben jedes leben ausgehaucht.
ich schlafe in der brütenden sonne, das beruhigende geplätscher flüstert mir scheiss drauf ins ohr, während meine noch bleiche haut lautlos warnungen brüllt. das ergebnis dieser solaren belichtung hab ich erst am abend, als sich das bild entwickelt hat, nicht extrem aber es brennt beim wälzen im bett.

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