Friday, July 28, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 24.juli 2006, letzter tag

24.7.

entspannt der heimreise entgegengehen. ein wenig bewegen vor der großen bewegungslosigkeit.
noch vor dem frühstück noch mal schnell zu richard, der mich eingeladen hat in seine wifi cloud. noch ein letztes mal posten und nach den mails schauen. auf der gurney street portraitiert eine malerin das nachbarhaus auf die staffelei. ehrfürchtig bitte ich um fotoerlaubnis und erhalte sie: you´re welcome.
richard hängt an seinem kaffeebecher und cynthia ist schon weg. ich darf in die küche. ich bin schnell fertig und richard meint, dass er uns zum harvard square begleiten wird, weil er dort zu tun hat. die abschiede mehren sich. ich eile die huron avenue zurück zum letzten frühstück bei monique. wir zahlen ihr 190 usd für die 2 nächte und schenken ihr einen englischen bill bryson. er wird sie nicht überraschen, weil sie das amerikanertum nicht verherrlicht, aber hoffentlich amüsieren. im zimmer tragen wir uns in ihr gästebuch ein. sie hat öfter gäste, die ihre kinder in harvard besuchen kommen, aber auch touristen aus aller welt, die sich artig bedanken. den mann von monique haben wir nie gesehen, nur gehört, wie er mit mächtigen schritten über unser zimmer hinwegschritt, dass die wände wackeln. natürlich fragt sich mein kriminalistisches ich, ob sie ihren mann vielleicht nur vortäuscht und er irgendwo in einem der zahlreichen anbauten ein mumifiziertes dasein fristet, nachdem er irgendwie um´s leben kam. als hobby-ornithologe verunglückt man nun mal leicht, fällt vom baum, kollidiert mit schweren vögeln oder wird von herabfallenden ziegeln erschlagen.
vielleicht verunglückte er auch bei flugversuchen mit naturfederflügeln.
es klingelt und vor der tür steht ein riese. es stellt sich heraus, dass er fbi-beamter ist und nach der leiche von mr.spalding sucht. uns wird flau.
doch es ist schließlich nur der typ vom klimaanlagenservice, ein texaner, der uns von oktoberfesten der deutschstämmigen in seiner heimat erzählt. er schwitzt gewaltig, bäche rinnen über sein gesicht in sein hemd hinein. er reisst die alte klimaanlage aus der wand und wuchtet sie aus der wohnung. jetzt schwitzt er noch mehr, er der die anderen kühlt.

jutta besorgt sich noch einen richtigen kaffee, ecke concord avenue, während franzi und ich auf der kleinen bank an der bushaltestelle warten. tatsächlich finden wir eine cloud und auch franzi kann noch mal mailen. ein paar wenige leute eilen geschäftig vorbei, kaufen sich pizza und es ist bereits Mittag.

wir entscheiden uns für eine runde freshpond park. jutta wartet auf einer bank im wäldchen. und vor dem wasserwerk sehen wir diesen typen näher kommen mit dem hütchen, den cargoshorts mit irre viel drin und dem fotoapparat. es ist wie am anfang. richard passiert uns fast, ohne uns zu bemerken. vermutlich hat ihn eine dragonfly abgelenkt. natürlich gibt es davon ein foto unter www.rlg.smugmug.com/keyword/hertel
und wieder wie am ersten foto: franzi und ich, denn jutta sitzt ja mit dem boston globe im park. wieder hat es einen mord gegeben an einer frau, die das grab ihres bruders besuchte, wieder in mattapan, wenn ich mich recht entsinne.
wir kaufen uns pizzaschnitten beim italiener, frischen salat und kalte getränke und setzen uns damit in monique´s märchenwald. da stehen ein paar stühle wie unsere und es ist wunderschön unter den alten bäumen.
wir haben kaum noch zeit, denn unser bus geht punkt zwei.
koffer packen im mittlerweile durch das neue klimagerät tiefgekühlten zimmer und schon steht richard vor der tür. an den sperren zur red line verabschieden wir uns zum elften mal und richard besteht auf ein letztes shooting: hertelfamily vor der sperre, durch die sperre und dahinter sich entfernend.
die fahrt mit der silver line, die als einzige den unglückstunnel befahren darf ist noch mal ein wenig aufregend, amerikanisch. ein polizeiauto fährt mit lichtzauber vor uns, um die geister der tunneldecke milde zu stimmen. blicke wechseln unter den passagieren, wird er halten?
er hält und wir sind am airport, wo es sich bei american airlines gewaltig staut. noch ein letztes mal in diesen laufstall hin und her und hin und wehe da versucht einer abzukürzen.
überpünktlich knapp vor der geplanten zeit hebt die boeing 777 ab und zeigt uns die stadt und den hafen im goldenen abendlicht. hinein in die nacht und good bye.

und leser, der du nach anhaltspunkten suchst, dieses land zu verstehen, vergiss nicht die drei „g“ die das land in der kralle halten:

god haben die demokraten nicht
gays dürfen bei den demokraten heiraten
guns wollen die demokraten uns wegnehmen


und wer es wirklich wissen will, lese:

Bill Bryson
„Streiflichter aus Amerika“
Goldmann-Verlag

T.C. Boyle
„Worlds End“

http://www.badastronomy.com/bad/tv/foxapollo.html
über die mondlandung



und noch vieles mehr. ein paar anregungen werden folgen, powered by richard.

anhang:
eine idee von jutta, unterschiede aufzulisten. was machen sie anders?

- man sieht keine wäsche draußen zum trocknen, sie trocknen im heissesten sommer im wäschetrockner
- nahezu jeder innenraum ist airconditioned und das beinhaltet auch hallen
- alles wird vorgeschrieben. überall ge- und verbote. im park soll man hello sagen und jeden grüßen
- hier bohrt niemand
- niemand geht zu fuß
- die chipstüten haben die größe unseres badezimmers und müssen mit einer leiter bestiegen und geöffnet werden
- die duschvorhänge sind doppelt, stofflich nach außen und plastik nach innen
- innenräume werden grundsätzlich nach außen versiegelt. man will weder irgendwelche viecher von da draußen noch irgendwelche natürlichen temperaturschwankungen noch allzu viel feuchtigkeit.
- vor jedem bett thront eine glotze
- busse haben ausstiege auf beiden seiten

Thursday, July 27, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 19. bis 23. juli 2006

19.7.

freedom trail und shoppen, denn mir geht die kurze hose bei macy´s nicht aus dem kopf und jutta will zu h&m und franzi braucht noch geschenke.

nach ergiebigem fragen-an-richard-frühstück erreichen wir mit bus und u-bahn den beginn des trails. mittlerweile kennen wir uns gut aus und wenn wir so sitzen und amiquatschen und times lesen, dann hat das schon was vertrautes und untouristisches, eine art wir-leben-hier-gefühl stellt sich ein und das gefällt mir. dabei hilft uns natürlich sehr das private wohnen bei unseren gastgebern.
in der stadt ist es bei weitem nicht mehr so heiß und hin und wieder bläst ein frischer wind durch die straßen. wir nehmen das lernen nicht so ernst und franzi gibt uns sehr knappe hinweise bei den stationen des trails. auffallend die schmucklosigkeit der kirchen. ich verstehe, warum die amerikaner europas kirchen berennen. die sind soviel prächtiger. die allgegenwärtigkeit von paul revere nervt uns bereits, als wir etwas schlapp am quincy market eintreffen und ersteinmal was feines essen und kraft tanken für den nun etwas ausgiebigeren gehrest des trails über den hafen zur uss.constitution. wir genießen sehr little italy, so unwirklich mit dieser roten backsteinarchitektur und sonst 100%ig italienisch, trinken lavazza in einer kleinen bar. wir besuchen friedhöfe mit kleinen flachen grabsteinplatten mit deutlich lesbaren namen und entweder einem totenkopf, einem engelskopf oder einer urne mit weeping willow.
überhaupt ist die stimmung unserer familienreisegruppe heute die beste bisher. alle sind zufrieden zumeist interessiert, geradezu euphorisch. macht das die bewegung?
die leute scheinen das zu spüren und reagieren besonders aufmerksam. am ende kaufen wir in einem dunkin noch was zum frühstück ein und ich habe einen plausch mit der schwarzen kassiererin, die aus alabama stammt und manchmal herkommt zum arbeiten. sie sieht großartig aus, hat große, runde augen, die munter tanzen, wenn sie lebhaft schildert, wie fett und beschissen sie sich in alabama ernähren.
sie braucht abends gar nicht wegzugehen. ihr genügen ihr hotelzimmer, die aircondition und der fernseher. verdammt, wir sind bereits gefährlich amerikanisiert. inzwischen kommen jutta und franzi vom klo und wir verabschieden uns wie gute bekannte.


20.7.

bloggen und wir haben kein heading

wenn wir beginnen, englisch zu sprechen, dann ist das, als würden wir vom festen land auf eine schwankende hängebrücke hinausgehen. wir sind konzentriert und sehen bereits die andere seite, d.h. dass verstanden wird, was wir sagen. aber eine zeitlang ist da ungewissheit, ob sich unser gedanke auch wirklich von der einen auf die andere seite retten kann. und manchmal bleiben wir recht lange in der schwebe oder müssen gar zurückgehen und einen neuen anlauf nehmen, weil die andere seite gar nicht auftaucht.
je besser wir werden, desto kürzer wird die brücke. im idealzustand könnte man sie einrollen, weil da gar kein abgrund mehr ist. den zustand werden wir zwar nicht erreichen, aber die themen des gestrigen abends waren äußerst anspruchsvoll und das will heißen, um beim bild zu bleiben: der canyon, über den sich die brücke spannt, war gewaltig tief.
so ging es über die kennedys, wen sonst? diesmal um die beziehung jf und j, seine ausritte. es ging um die zweifel meiner tochter an der mondlandung, um anzeichen für intelligentes leben im all, sprich der dyson-ring und noch vielmehr. hin und wieder stürzten wir auch in die schlucht hinein oder hingen minutenlang in der schwebe, ohne weiterzukommen. ich will gar nicht auf die themen eingehen, es würde zuviel elektro-tinte kosten, noch mal alles durchzukauen, es ging mir um die hängebrücke und die freude, sie nutzen zu können mitsamt ihren abenteuern. nur das eine zur mondlandung: da wurde richard sehr engagiert, weil er selbst dabei sehr engagiert war. die gesamte steuerungstechnik, navigation wurde hier in cambridge entwickelt und er war dabei, kannte die leute. kennedy begann mit der raumfahrt und er stammte aus massachusetts, deshalb wurde alles hier entwickelt. als nach seiner ermordung johnson der texaner folgte, wanderte zumindest das kontrollzentrum in seine heimat: houston (wir haben ein problem) und dass die startrampe in florida steht, hat technische gründe (mehr schwung beim start, weil mehr drehmoment näher am äquator). franzi wurde am ende stiller über ihrem leeren jerry-eisbecher und stand dann auf. wir folgten alle, denn es war gegen mitternacht, diesmal ohne gewitter in angenehm frischer luft, fast kühl, während europa verglüht.

in new york ist vorgestern die gesamte infrastruktur zusammengebrochen, weil die klimaanlagen amok liefen. so blieben die metros stecken und die armen leute saßen in ihren stinkenden backöfen fest. wir hätten da drin sein können. der bürgermeister empfahl, die klimaanlagen runterzudrehen und ließ sie im rathaus teilweise ganz abstellen. nur, was machst du in einem land, dessen häuser versiegelt sind und die fenster nicht aufgehen?

ich lasse das vor-dem-frühstück-laufen mal weg, weil richard unbedingt einen neuen eintrag von mir sehen will, solange wir noch da sind. immer wieder schaut er mir tief in die augen und murmelt beschwörend: sie arbeitet für dich, diese riesenmaschine. du kontrollierst sie. gemeint ist dieses über den ganzen planeten verstreute rechnerungeheuer google, geschaffen, um sich eines tages selbständig zu machen und den spieß umzudrehen: lange genug habe ich EUCH gedient, nun seid IHR dran!

aber noch bestimme ich und blogge ein bisschen herum: fun for richard.
nebenbei finden wir im google meinen namen als mitmacher von „back to fucking cambridge“ in so einem hollywoodverzeichnis. so gestärkt, freut sich mein ego besonders auf diesen neuen tag in der neuen welt. erstmals ohne heading, denn für eine fahrt mit dem pendlerzug nach salem ist es einfach zu spät, tut jeder dies und das und alle sind zufrieden. machen wir einen schnappschuss und sehen wir wie jutta mit spiegelchen und utensilien nagelpflege betreibt, dabei sich coldplay vom mp3 player ins ohr ladend. sie sitzt auf der hübschen veranda auf der hollywoodschaukel ohne hollywood. franzi an meinem laptop mails lesend und beantwortend, und ich schnappschießend und mit der tageszeitung, die in wyoming einen boom erkennen will. so schleicht sich der vormittag dahin.
beim frühstück setzte uns richard heute 3 mal 4 muffins vor, einmal mit schokostückchen, einmal mit 3 sorten beeren und eine sorte mit rosinen gebeert und gefedert, direkt aus der gebeermutter aller muffinkinder dieser welt, deren weltweite muffia-organisation die polizei auf trab hält.

erst gegen Mittag wächat ein heading heran, dürftig und letzten urlaubstagen entsprechend: mit dem bus nach harvard square, im au bon pain einzukehren und anschließend ins fleet center, wo jutta die basketballhalle besichtigen will. wir genießen den square bereits ein bisschen wehmütig aber in vollen zügen. 3 jungs spielen fetzigen jazz und werden dafür zweimal von bullen belästigt.
mit der red line nach charles und von dort riverside zum fleetcenter. das sitzt oben auf dem nordbahnhof drauf und lässt sich von tausenden wuselnden pendlern den bauch kitzeln.
leider verlieren wir uns dort bei einer toilettenvisitation aufgrund ungenauer absprachen und mangelhafter logistik. ich sitze stur vorm bahnhof und beobachte den gesamten vorplatz, vermutend dass mich die ballgierigen mädels bereits richtung arena verlassen haben, während diese brav vorm klo warten und nur im bahnhof herumsuchen. das kostet mich extrem nerven und am liebsten möchte ich mit dem geld abhauen und die beiden sitzen lassen.
doch die gute fee greift ein und führt uns im allerletzten moment zusammen. nach einer kurzen prügelei geht es weiter.

leider sind halle und sportmuseum geschlossen und wir ziehen nach beacon hill, während sich ein dicker grauer nebel auf die stadt senkt und bereits die spitzen der höchsten gebäude verschluckt hat. es wird fast kühl, doch das tut der schönheit von beacon hill keinen abbruch. wir knien vor jeder weiteren roten backsteinzeile nieder, vor jedem glänzend polierten messingknauf an manchmal seltsam winzigen türchen, manchmal an prächtigen portalen. hübsche kleine shops mit uralt wirkenden schildern, ein maklerbüro mit diesen grünen schreibtischlampen, die wir aus filmen kennen. und ich beginne mit einer serie von fotografien der außenleitern, die die fassaden so wunderschön strukturieren, schwarze linien schräg über das gitterwerk des roten backsteins. wenige bewohner zeigen sich, wenige fußgänger und eine leichte melancholie weht um die zarten bäumchen in den straßen.
wir kommen langsam in die belebtere gegend, beacon hill street mit sehr originellen läden. endlich wieder traffic as usual. in einem ziemlich benutzt wirkenden starbucks rasten wir. in der zeitung lese ich über den mord in mattapan. das ist die eine endstation der red line. ein mann ist erschossen worden und die statistik zeigt, dass mattapan überhaupt ein heisses pflaster ist, in dem öfter mal geballert wird und das ist oft fatal, d.h. tödlich. ein mann sagt im interview, dass er seine kinder nicht auf die straße lässt und man vorsichtig sein muss, was man auf den straßen von mattapan sagt. wir beschließen, den stadtteil zu meiden. draussen steht eine alte bmw maschine an der ampel mit 2 bärtigen alten knackern drauf. ich warte, bis sie um die ecke verschwunden sind und esse den rest vom herrlichen espresso brownie auf. esst den, es lohnt sich! durch den boston common schlurfen wir zur park street und verschwinden in die erde.
nach diesem bescheidenen ausflug kehren wir zurück und treffen richard, der sich heute die haare zurückschneiden ließ aud die stufe knapp vor der glatze, zu hause an. wir beschließen, zu einem von ihm empfohlenen italiener zu gehen.
den ganzen weg dahin brabbeln franzi und richard in diesem englisch, netterweise beide in grauen kapuzensweatern und jutta und ich spielen ehepaar in schwarzen kapuzensweatern. es wird ein abend, der sich gewaschen hat, begleitet von gediegener italo-amerikanischer küche und der elenden mondlandungsdiskussion. ich zahle und fette mit dem hiesigen üppigen trinkgeld von 25% auf. richard meint, es könnte ja sein, dass wir wiedrérkommen und bis dahin sollten wir in guter erinnerung bleiben. auf dem rückweg dackeln jutta und ich wieder hinter den graukapuzlern her und irgendwo auf den letzten metern stellen wir uns vor, dass die beiden permanent quasselnden kapuzen nicht einmal merken würden, wenn wir gegen eine laterne rennen oder von einem truck geplättet oder von einem sniper abgeknallt von einer schlange gebissen von einem abstürzenden flugzeug getroffen würden. jutta muss davon so lachen dass ich fürchte, der vorigen liste totlachen zufügen zu müssen.
den abend krönt die daily-show oder wie die heißt mit einem bush-bashing der sonderklasse. ich weiss jetzt noch mehr, wo sich harald schmidt bedient hat.

übrigens gibt es hier den
national bring-your-daughter-to-work-day!
und weil wir zungenbrecher austauschten, sei hier richard´s beitrag erwähnt:

skunk sat on a stump
skunk stunk
stump stunk


und das bitte flitzeschnell !


21.7.

immer weniger heading, oh bugger, würde jack sparrow sagen.

der urlaub läuft aus und die letzten tage verlangen erholung, erstens um tonnen erlebtes zu verdauen und zweitend um luft zu holen für den wiedereintritt in die erdatmosphäre.

plötzlich rennen franzi und jutta zum bus, weil sie zum sportmuseum wollen. ich verpasse den abflug und gehe später
mit eigenem heading los. wir wollen uns beim quincy market um 3.30 pm treffen und da was essen. dort werde ich erfahren, dass die beiden 1 stunde auf den bus gewartet und später in der stadt waren als ich. richard wundert sich über die temporäre trennung der familie.

ich fahre zum m.i.t. und wandere die beiden brücken. am m.i.t.-ufer zur harvard bridge. die aussicht auf die stadt ist grandios, wenn auch dunstig. millionen jogger, oft oben ohne toben in allen richtungen an mir vorbei und schwitzen wie die schweine. es geht gegen high noon, wohl die schlechteste zeit zum rennen, aber wo sind wir? über die brücke auf back bay zu. die riverside hinauf richtung longfellow bridge. es werden immer mehr jogger, radfahrer und das einzige element mit gebremster geschwindigkeit bin ich. genießend, die atmosphäre bereits so aufsaugend als wären es die letzten bilder des aufenthaltes. am fluss gibt es eine hözerne liegefläche, auf der einige damen sich bräunen. meine entscheidungen sind kurzfristig und diese pause erscheint mir verlockend. die füße im warmen charles river chille ich ungestört und entschlummere kurz. später bemerke ich mit schrecken, dass ich mal wieder meinen schlüssel vergessen habe. das wird uns gegen 7 p.m. bitter aufstoßen.
erste wolken türmen sich aus dem hitzigen dampf auf und ich trinke bei der konzertmuschel einen orangensaft, obwohl mich der verkäufer „my friend“ genannt hat. neben mir fällt ein radfahrer von seinem weissen plastiksessel, während rechts die autobahn tobt. immer wieder jaulen sirenen, doch ich sitze im park und hab die ruhe weg wie selten. ein segelboot ist gekentert und wird aufgerichtet. anstatt eine library zu besuchen, entscheide ich mich, zu fuß weiterzugehen bis zum quincy market, wo wir uns wie geplant auch treffen. und kaum sitzen wir, als der erste regen aufs glasdach trommelt und ein frisches lüftchen leichte kühlung in den fressdom weht.
nach einer kleinen stärkung folgen wir unserem kompass durch eine tropisch feuchte dunstwolke nach chinatown. auf dem rückweg, wieder mal 10 meter von der u-bahn entfernt überrascht uns wieder mal eine sintflut. jutta hatte sich einen gürtel gekauft, der nun liebevoll ihre neue hose umschlingt, während ich im army- und navyladen csi-shirts und anderes martialisches gerät bestaune.
währenddessen hat sich die straße in einen fluss verwandelt und die menschheit teilt sich nur noch in 2 gruppen:
die sich unterstellen und warten und die, die völlig unbeeindruckt durch den regen gehen. den regen begleitet ein heftiges gewitter, dessen donnerschläge durch die häuserschluchten rollen.
am ende stehen wir vor unserer unterkunft (wir erinnern uns ungern an den vergessenen schlüssel) und warten auf richard, der im park seine runde dreht. wir wetten, wann er wohl eintrifft, während ein neues unwetter über uns hereinbricht.
unter dem schmalen vordach drängen wir uns und mit 7.25 liege ich bestens, denn plözlich tritt aus dem wasservorhang von links: der mann aus dem park mit schirm und leuchtendem display (vom fotoapparat) und we are save!


22.7.

umzug zu monique spalding´s bed & breakfast

richard dreht uns seinen transportwagen an, ein überdimensionierter handkarren im format eines mondrovers.
schwitzend zerre ich unser gepäck die huron avenue hinunter, was die hausnummern betrifft, hinauf, was die steigung betrifft. jutta hilft richard, das haus zu putzen und hat spaß mit dem zentralen vacuum cleaner, der allen dreck aus den amerikanischen haushalten in eine zentrale sammelstelle befördert, die über kernfusion energie erzeugt, die wiederum dazu dient, marshmallows aufzublasen, aus denen die präsidenten der vereinigten staaten geformt werden.
franzi und ich finden endlich monique´s haus, das sich in einer zugewucherten kurve der gurney street versteckt, die sich selbst auf der google map versteckt. monique empfängt uns überaus freundlich. sie lässt sich eher nicki nennen, weil die meisten amerikaner „monique“ auf verschiedenste art verstümmeln. sie zeigt uns das haus, eines dieser schönen holzverkleideten, von denen jutta a l l e fotografiert hat. am wochenende steht vor den meisten ein auto.
monique´s haus ist irre. wände voller bücher um gemütliche dicke sitzgelegenheiten und etliche reproduktionen europäischer impressionisten verraten jedem, der das will, eine menge über den besitzer. hier residiert kultur.
unsere zimmer, franzi hat erstmal ihr eigenes, sind gemütlich und versetzen uns in die nahe vergangenheit mit zahlreichen antiquarischen möbelstücken. monique bedauert, dass ihre klimaanlage eben verstorben ist, aber das stört uns wenig, weil es inzwischen deutlich abgekühlt hat und weil die fenster weit zu öffnen sind. sofort reissen wir alles auf und atmen tief ein, d.h. wir kurbeln, denn so wurde hier das problem gelöst, dass zwischen uns und dem fenster fliegengitter montiert sind. das haus ist außerdem geradezu eingewaldet mit herrlichen großen, alten bäumen, ein tiefgrüner rausch, der uns herrlich anduftet. der ventilator läuft, falls nötig, mit ein wenig händischer starthilfe munter klappernd an. das tv-gerät ist klein, mein herz ist rein und die programme sind liebevoll handschriftlich unter plastikfolie beigelegt. die zimmerantenne, eine frühform der sat-schüssel wird uns später einen empfang bescheren, wie wir ihn aus der raumfahrt gewohnt sind mit wandernden schatten und spontanen farbeinbrüchen.
wir bringen den wagen zurück und freuen uns, wieder einmal gut untergebracht zu sein. wir essen in einem jamaikanischen restaurant zu Mittag, das nur etwa hundert meter vom haus entfernt ist und dessen küche etwa siebenmal größer ist als der gastraum. der hausherr und chefkoch begrüßt uns wie freunde mit handschlag und setzt sich auf einen kinderhocker neben unserem tisch, um uns die speisekarte zu erläutern. neben uns isst der einzige andere kunde gerade jerk chicken, was soviel wie blödes huhn heißt und ist begeistert. wir wählen daraufhin auch 2 mal blödes huhn und einmal curryziege. warum ist die eigentlich nicht blöde? vielleicht haben die ziegen in jamaika irre was auf dem kasten.
zu trinken gibt es selbstgebrautes ginger-ale, dessen schärfe uns einen blassen vorgeschmack auf das folgende vermittelt. mit vorstehenden augen nicken wir uns anerkennend zu und picken vorsichtig in kulinarischem neuland herum und verkokeln unseren rachenraum. das essen ist großartig aber schärfer als die messer.
in unserem neuen quartier verschlafen wir ein paar kräftige regenschauer, die herrlich in den umgebenden dschungel hineinprasseln und entscheiden uns für einen ausflug nach harvard square mit dem 72er bus. franzi möchte noch zur law school und schließlich haben wir bisher nur die wohnquartiere besucht. wir arbeiten uns ohne plan voran, ehrfürchtig jedes gebäude betrachtend und finden nach etlichen irrwegen zur law school. franzi meint, fast ein wenig enttäuscht: man fühlt da keine besondere aura. eigentlich sind es doch nur häuser.
ich denke zuerst, die muss doch da sein, du musst nur die fühler ausstrecken, aber eigentlich bedeutet das, dass man auch nicht vor ehrfurcht vergehen muss. es ist packbar, wenn man will und natürlich die voraussetzungen erfüllt.
die erkenntnis ist uns ein eis wert, das wir aber auch so gegessen hätten.
mit der dekadenten entscheidung, chips und bier zu einzukaufen und im zimmer zu verdrücken. machen wir uns auf den rückweg mittels transferticket.
auch eine gute sache: man stopft einen schmalgefalteten buck in einen schlitz am automaten des busfahrers und bittet um ein transfer-ticket. der fahrer müsste nun einiges auf dem ticket ankreuzeln, das die weiterverwendung etwas einschränken würde. das macht er meistens nicht, weil er ja cool ist und dann kann man dieses ticket sogar als hin- und rückfahrtticket mit der gleichen linie benutzen.
wir schauen fernsehen: der pilotfilm zu miami vice. minutenlang motorhaube des durch die nacht fahrenden autos, viel chrom, die radkappen, der mittelstreifen, strassenlaternen gespiegelt in der motorhaube und es passiert nichts bis phil collins zu ende gesungen hat. irgendwas mit „in the air“.
wir essen nachos und chips auf, trinken limo und bier und verzweifeln an der frequenz der werbeblöcke. unmöglich, im film drinzubleiben. aber nicht lang genug, um was vernünftiges dazwischen machen zu können.

Wednesday, July 26, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 15.bis18. juli 2006

15.7.

was ist der unterschied zwischen new yorker und bostonian?
der bostonian hat einen hund, der new yorker drei.

erst später erfahre ich von richard, dass es sich hier um dog walker handelt, die mit einem ganzen hundecluster herumlaufen.
heute morgen, etwas später als sonst so gegen halb neun, als ich durch den freshpond lief (counterclockwise), begegnete mir die schlange beth. sie begann mir ohne umschweife zu erzählen, wer gott war, denn er ist nicht mehr. gott, und da staunte ich nicht schlecht, war nichts anderes als ein gewöhnlicher mensch der frühzeit. das heißt so ganz gewöhnlich war er wohl doch nicht, denn er war der erste mensch, der ein selbstbewußtsein entwickelte und sich so selbstverständlich auffallend von den anderen abhob.
er konnte sie lehren! er konnte ihnen in die augen schauen und sie willkommen heißen in der welt des bewußtseins, gewissermaßen eine art neugeburt. nun konnte man sich gedanken machen und ideen entwickeln und das tat er fleißig. sein name glich übrigens in der aussprache sehr unserem „gott“ und klang etwa gchod-t. er entwickelte erste ansätze einer sprache und der schrift (verständlicherweise eine heilige).
gchod-t wurde steinalt und von seinem stamm sehr verehrt. um sein wissen für seine nachkommen zu erhalten, stieg er jeden tag auf einen hügel oder suchte eine höhle auf, um eine art schriftliche lebensanweisung, gleichsam die urform eines gesetzbuches zu verfassen. dabei wurde er eines tages von nomcchrod-t überrascht, einem gefährlichen raubtier seiner zeit. der verschleppte sein opfer an einen entlegenen ort, bevor er es tötete und fraß. so fand sein stamm, als man ihn suchte nicht einmal blutspuren und da es sich um felsigen untergrund handelte, auch keine fußabdrücke des räubers. allerdings die schriften des angängigen hochverehrten alten.
und so bildete sich die legende, er sei gen himmel gefahren, um von dort die geschicke der menschen zu beobachten und sie zu schützen. die legende verbreitete sich über die von menschen besiedelten gebiete und wurde dabei immer wieder etwas verändert. sodaß es am ende zu den verschiedensten religionen kam.
und wenn ihr mir nicht glaubt, was ich erlebt habe, so ist das eure sache. ich jedenfalls glaube der schlange, denn sie ist ein unglaublich altes lebewesen. beth trollte sich übrigens, denn das erzählen strengte sie an.

wir haben heute nicht viel vor, wandern nach harvard, speisen im bon pain. wir reden nichts über gestern, aber eine gewisse anspannung ist deutlich spürbar, wenig empathie in der luft. eine reinigende entschuldigung wäre nicht übel.
als meister im drüberweglatschen kommen wir aber auch so zurecht. franzi verschwindet im coop, der wunderschönen buchhandlung am square und jutta und ich verziehen uns zu peet, dem wir unsere kaffeegutscheine um die ohren hauen wollen. ich versuchs mit vieren, krieg 2 erlaubt und dafür 2 espresso, die eigentlich verschreibungspflichtig wären.
im kleinen park vor peet, steht ein pinkfarbenes partyzelt von victorias secret und davor ein pinkgepunkteter hummer. es werden irgendwelche talente gesucht und es gibt irgendwas zu gewinnen, u.a. so einen hummer. willkommen bei barbies zu hause. die ganze szene sollte es als barbie-set geben.
irgendwann schauen noch 2 officer vorbei, gutaussehend wie gecastete fernsehbullen. sie stehn breitbeinig, stellen fragen, sind extrem cool dabei. träum ich das eigentlich alles?

nein, denn wir müssen franzi aus dem coop rausholen, lesen dort selbst ein bisschen und fahren mit dem bus zurück. der startet in einem tunnel unter dem square mit einem affenzahn durch die röhre, ein durchaus astronautentauglicher beschleunigungstest. ich geh noch bei richard vorbei, der aber nicht zu hause ist. ein bärtiger typ, weigert sich richard zu kennen und verschwindet direkt in der nachbarwohnung.
der himmel ist heute grau, alles klingt leicht verstimmt und in solchen momenten kommen mir die amerikaner auch sehr grau vor. bisher lebten sie eine erfolgsstory nach der anderen von einigen „missgeschicken“ und traumata unterbrochen.
sie wirken strong, straight und healthy und viele wealthy. sie stehn zu ihrem land und geben ihm ihre energie. sie fühlen sich unverletzlich wie supermann, pearl harbour ein kratzer im lack und schnell behoben, vietnam auch irgendwie schon lange her, kennedy, naja wer weiss, und bush dauert auch nicht mehr lang.
das abhacken der türme des world trade centers hat da schon mehr weh getan und man glaubt, das auch der stadt anzumerken. aber was ist, wenn die erste wirkliche krise das land trifft.
so gedankenschwer gehe ich erstmal in den park pinkeln, genieße diesen verstoß außerordentlich und lese erstmals genauer die vollgepfropfte infowand. die gebote und verbote fotografiere ich, weil das wirklich an exo-pädagogik grenzt.

abends ist die volle glotze angesagt von shrek 2 bis zu fluch der karibik 1. wir genießen es, nachdem man mich noch mal mit einkaufsliste zu whole foods ausgesandt hatte, schmatzend
und packen anschließend die koffer für den umzug.

der taxifahrer verfrachtet uns wortlos und erhält dafür 10 dollar und wir wohnen am freshpond place mit richard, cassidy und der abwesenden cynthia. wir vermissen sofort die klimaanlage des versiegelten hotels, denn die hitzewelle erreicht ihren höhepunkt, der ein paar tage anhalten wird. wir lesen und hecheln uns über high noon und verlassen vom hunger getrieben, das haus so gegen 5 p.m., um einen diner zu finden. den verpasse ich knapp und wir landen bei michael´s pizza, einer eckklitsche mit verblassenden griechenland-bildchen an den pastellwänden und frostigem eishauch aus der klimaanlage. nach der hitzigen wanderung ein schock, aber nach ein paar minuten sind wir klimatisiert und der körper kann wieder andere funktionen übernehmen als nur kühlung.
zum beispiel quatschen. mein steak with onion schmeckt knackig wie ein döner und der salat ist wie immer grandios frisch. auf der straße sehen wir auf einigen autos aufschriften wie „veteran of corean“ war. denselben ist auch eine brücke gewidmet (stellvertreterkrieg 1950-1953). jutta fotografiert als wäre sie gerade angekommen.
wir finden einen supermarkt und kaufen ein wenig für´s frühstück ein. dabei teilen wir uns auf und müssen dann immer wieder durch die endlosen regalspaliere tigern, um uns wiederzufinden.
es ist das erste Mal, dass wir in einer ganz normalen wohngegend sind, umgeben von netten einfamilienhäusern, alle aus holz, z.t. mit wunderschönen gärten davor. hin und wieder weht der union jack und einer hat italienisch beflaggt, ergänzt durch ein „forza italia“. das macht uns wild und wir verwüsten seinen vorgarten. als er schließlich aus dem fenster schaut, so ein feister, pomadisierter typ im unterhemd, rufen wir ihm zu „viva prodi“ und machen ihm die lange nase. er fuchtelt wild und rennt zurück ins Zimmer. doch als er wieder am fenster erscheint mit seiner flinte, sind wir außer reichweite und gratulieren uns zu diesem sieg. weit hinter uns verhallen die schüsse des patridioten.
richard schlägt vor, eine grandiose eisdiele in der nähe aufzusuchen. da sie einen italienischen namen trägt, fürchten wir zuerst, unser freund könnte der betreiber sein, was uns alle in schwierigkeiten bringen würde. doch das ist eher unwahrscheinlich. das gespräch unterwegs dreht sich um kennedy, eine thema, das immer wiederkehrt. es geht natürlich um die legenden, die sich um die ermordung ranken. richard vertritt die theorie, dass lee harvey oswald der einzige attentäter war und dass die leute nur nicht wahrhaben wollen, dass ein so ein kleiner wicht einen riesen von kennedy-format erlegen kann. er konnte, weil er als ausgebildeter marine alle nötigen fähigkeiten hatte. dasselbe gilt für die attentate auf m.l. king und robert kennedy. naja, wenn das mal stimmt.
wir lauschen und genießen die amerikanische nacht, mit ein paar sternen, die sich durch den dunst blinzeln und einem erfrischenden lüftchen. das eis ist sowohl groß- als auch großartig, der salon mit dem charme einer studentenkneipe füllt sich ein wenig. aber wir müssen raus, weil cassidy vor der tür nervös wird. die betagte dame möchte nachhause und zittert vor aufregung.
die unterhaltung geht weiter, denn unsere fragen zu land und leuten wollen nicht enden. richard ergänzt mit einigen netten anekdoten. so kennt er den gründer des eisalons, ein typ namens gus. er war einst sein roommate, hat ihm (richard) allerdings später vorgeworfen, er hätte im seine freundin verdorben, die ihn betrogen hatte. richard war damals infiziert vom virus des kommunelebens und wir können uns vorstellen, was da ablief.
wir erfahren, dass die kennedys ihr vermögen mit schmuggel gemacht haben, als teil einer irischen mafia.
zurück in der wohnung sitzen wir noch lange auf der veranda und reden, wenn man unsere amokläufe in der englischen sprache so nennen kann (unsere tochter ausgenommen).
die aktuelle politik bringt richard folgendermaßen auf den punkt: die drei „g“ die das land in der kralle halten:

god haben die demokraten nicht
gays dürfen bei den demokraten heiraten
guns wollen die demokraten uns wegnehmen


17.7.

geplant ist m.i.t., unter nutzung sämtlicher klimatisierter räume. ungeschützter aufenthalt in der erdatmosphäre soll vermieden werden.

bereits beim frühstück klettert die außentemperatur auf über 30 grad. ich habe meine runde durch den park überlebt, ohne beim notarzt zu landen, schwitze aber bäche aus. wir frühstücken mit richard. franzi schläft.
zum ersten mal reden wir über unsere urlaubskrise von vorgestern und über die methode sich zeitweise getrennter wege zu bedienen.
inzwischen sind richards angestellte eingetroffen und hier wird gearbeitet.

das m.i.t. stellt sich als labyrinth heraus, durch das wir wie durch einen teilchenbeschleuniger gegen den uhrzeigersinn gejagt werden. wir pausieren im gehri-gebäude oder –schachtel-modul-kunstwerk, gelobt sei das spielerische durchdrehen eines jung gebliebenen architekten.

abends endlich zum diner mit fachkundiger führung durch richard. ich habe das geld vergessen. er gleicht aus durch die credit-card, die unter einem haufen für-irgendwas-cards zappelt, mühsam von einem gummiband gezähmt.
(später weiter, weil wir zum kino müssen und ich bin nicht mal angezogen)
noch mal zurück zum diner: es ist wie im film, eine art aufgeblasener wohnwagen mit dieser typischen neonschreibe „town diner“. innen ebenfalls neon, blau und rosa, tischabteile für 4, ein dicker hintern auf dem barhocker und mehrere mädels, die bedienen. die sitze, glaube ich, sind ledern.
nicht so das essen. wir wählen typisch: burger mit fries, ich etwas mit bohnen. aber erstmal ein schock: kein alkohol, kein bier, weil der laden keine lizenz dazu hat. da hilft nur ginger ale. die speisen sind frisch, wirken allerdings alle, als wäre der küchenchef (vielleicht ein golfkriegsveteran?) noch mal mit dem flammenwerfer drübergegangen, will heißen fleckig geschwärzt. die optik der fries (pommes) lässt herkunft museum vermuten, schmecken aber o.k., der salat knackin frisch, wie überall, stimmung prächtig, richard bester laune.
und wir haben unser diner gehabt. ab 10 p.m. macht der diner dicht und lässt keinen mehr rein, uns aber raus.

18.7.

mit der blue line nach revere beach und dort die hitze mithilfe eisigen atlantikwassers durchtauchen.

der tag beginnt mit einem dieser fragen-an-richard-frühstücke, deren beantwortung wir ihm mit von mir laufend gekauften semmeln vergelten. die semmeln sind sauteuer, weil sie mich in der bereits 9 a.m. heftigen hitze fast das leben kosten.

die blue line ist eine alte klapperkiste von u-bahn, die mit linoleumboden, abblätterndem lack aber klimatisiert nach norden rattert. wir erreichen sie erst nach 2-maligem umsteigen über die green line. in den bahnhöfen tief unter der stadt steht die hitze und einzig die hoffnung auf den ankommenden kühlschrank hält alle am leben. es existiert ein kontrast zwichen der spürbaren wirtschaftlichen potenz und der lange nicht erneuerten infrastruktur. ausnahme sind die neuen fahrkartenautomaten, die allerdings erst in einigen stationen stehen.
die blue line taucht hinter dem airport unter der erde auf und rattert durch vororte mit hübschen holzhäusern, die manchmal sogar von trocknender wäsche umweht werden.
am strand fürchtet jutta, wir würden vom sheriff erschossen, wenn wir uns einfach am strand hinter unseren handtüchern die badeklamotten überstreifen. wir tun es dennoch, haben allerdings ein auge auf die umgebung. ein flieger nach dem andern donnert über uns zum logan airport, denn wir liegen in der einflugschneise. über dem sand flimmert die hitze, während nun auch jutta und franzi die eiseskälte des atlantiks zu spüren bekommen. dennoch gehen wir rein, ist doch klar. neben schlotternden amis, arbeiten wir uns schrittweise vor. das dauert etwa eine stunde. der aufenthalt im wasser dauert dann etwa 2 minuten. (so schlimm war es nicht, i´m kidding)
wir verbringen einen geruhsamen tag am strand und fahren coffee to go haltend mit der blue line zurück, sand in jeder körperfalte.
wir treffen uns mit richard um halb acht zu „pirates of the caribbean“ teil 2 und verschwinden für 2 einhalb stunden komplett aus dieser welt. disney kann es doch noch. im kino, klimatisiert, versteht sich, kühlen wir kräftig runter, und am ende ist die hitze des tages vergangenheit, die blase zum bersten voll und der bewegungsapparat komplett versteift.
dinner ist diesmal zu hause geplant, wozu wir nur noch bier einkaufen müssen und zwar ein six pack mit blueberry-geschmack, einer mit dem bereits genossenen cherry-weed und einer simpel für mich: pale beer.

wir gehen den weiten weg durch den freshpond und fotografieren unterwegs das ungeheuer von fresh pond, das sich meist bei nahenden gewittern nachts zeigt.

die mikrowelle heizt ein fantastisches stew von cynthia, dazu kartoffelsalat ebenfalls hausgemacht und eben das bier und zwar von jedem eine zum vergleichen. die heidelbeere schneidet überraschenderweise am besten ab, danach pale beer und am ende cherry weed, weil es zu sehr an arznei erinnert oder an arsen und eine vergiftung befürchten lässt. die sorte verdiente auch allemal ein spitzenplätzchen auf der liste der weapons of mass destruction und der hersteller sollte von einer koalition der willigen mal eins auf die birne kriegen.
inzwischen kracht es genau über uns und unser sonnenschirm schützt uns vor dem beginnenden gewitter, das die wohnblöcke um uns herum grell beleuchtet. die abkühlung beginnt, ist aber noch nicht wirklich erfrischend und so wartet eine weitere nicht gut geschlafene nacht auf mich.
ich wache auf mit amerikanisch durchsetzten träumen, und dem gedanken, „ich hab nicht gebloggt“.

Tuesday, July 25, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 12. - 14. juli 2006

12.7.

zweiter tag: metropolitan museum, central park, ohne stress,
times square bei nacht

jedoch. wir gehen getrennte wege. einsamer wolf plant metropolitan museum of art im alleingang. rotkäppchen und ihre mama wollen vom times square zur 5th, weil es dort designerläden gibt, in denen sie nichts einkaufen wollen.
ich wolf bleibe bereits am historischen museum stecken, weil es dort geniale schauräume zur astronomie gibt und dazu ein planetarium mit der show cosmic collisions. ich sehe die günstige gelegenheit und buche 3 mal für 16.30.
ich rase durch die wirklich gewaltigen schauräume, dimensionen wechselnd, vulkane auf ozeane folgend, einen blauwal untertauchend, die amerikanische tierwelt passierend, über packeis rutschend, angeknabbert vom cookie cutter shark, south manhattan beargwöhnt, wie die ersten besetzer mit indianern verhandeln.

danach will ich den schulklassenverseuchten centralpark geradest queren, um auf der eastside ins met einzusteigen.
daraus wird nichts, weil ich völlig die orientierung verliere und im kreis laufe. beim nächsten anlauf versuche ich einer straße zu folgen, die ich bald wieder verliere. nicht dass der park mir nicht gefallen würde, ganz im gegenteil, möchte ich ihn dennoch auf wunsch verlassen können, zumal es schon spät ist und leicht zu regnen beginnt. hilflos peile ich mit dem stadtplan herum, versuche die richtung zu finden und verliere etwas den mut. fragen möchte ich nicht. wär feig. also erst mal in die wiese legen und chillen. leider riecht es fast überall nach pisse. am ende wird meine querung eine großzügig geschwungene diagonale zur ecke 5th mit south end. das habe ich auch erwartet, allerdings nicht ursprünglich angestrebt.
wir treffen uns schließlich am museum. die beiden sind nicht so glücklich, weil sie nicht das fanden, was geplant war und meine spontane einladung ins planetarium macht sie auch nicht glücklicher. dennoch machen wir uns auf den weg zurück durch den park. ich halte mich an die orientierung der damen und plötzlich geht es sehr einfach. d.h. es ginge einfach, wären da nicht der plötzliche heftige regen und das gewitter, die uns in einem lusthaus festnageln mit einer schnell zunehmenden zahl von wetterflüchtigen. es ist ruhig und gemütlich. man liest zeitung und zuckt nur ein wenig, wenn in der nähe ein blitz einschlägt. doch wir haben einen termin und als der regen nachlässt, machen wir uns auf den weg.
barfuß hopsen wir durch die pfützen und singen hey oh – listen what i say oh, wie die zwerge aus dem bergwerk.
die cosmic collisions mit der stimme von robert redford aufgefettet, findet franzi cool, danach hasten wir noch durch die schauräume, verfolgt vom schließwütigen personal.
und vorm museum, bricht der himmel auf und wir erleben, wie ein baum gegen einen richtigen platzregen null schutz gibt. innerhalb sekunden sind wir klatschnass und finden das unfair. es gelingt mit etwas spät, meinen regenponcho zu entfalten, und so bleibe auch ich keineswegs ungeschoren. das alles hebt unsere stimmung gewaltig und nun sind wir getaufte new yorker, denn das ist man, wenn man ungeschützt dem regen ausgesetzt ist.
nach dem abendessen gehen wir noch mal zu fuß zum times square, um ihn im dunkeln zu sehen, shoppen noch mal kräftig und genießen beste stunden unseres lebens.
der rückweg zur nächsten metrostation verzögert sich, weil franzi noch ein schwarzes n.y. shirt sucht. wir kaufen noch getränke und als wir den laden verlassen, bricht das nächste unwetter über die stadt herein. blitze fahren um die türme, es kracht wie im gebirge und wir haben den besten platz unter einer markise nur etwa 100 meter von der metrostation entfernt. dieses gewitter genießen wir noch mehr, denn erstens ist es ein unwetter nicht irgendwo, sondern … eben! und zweitens spielen sich vor unseren augen erschütternde szenen ab von einknickenden regenschirmen, umgedrehten, komplett funktionslosen regenschirmen, bis zu menschen die vergeblich ein taxi winken. leute, die mit dem taxi am hotel ankommen, aber noch 20 meter rennen müssen und dabei klatschnass werden. dosen und plastiktüten fetzen von wind und wasser beschleunigt durch die straßen, dazwischen fahradrikschas, deren fahrer unbeeindruckt nach kunden klingeln. unbeeindruckt auch die fetten lincolns, mercedes, geländekisten, stretch-limousinen und yellow cabs, scheibenwischer am limit. kurzum größter spassfaktor, minimale kosten. und das nicht irgendwo!

13.7.

back to fucking cambridge

wir haben das klo vom grayhound-bus wieder mal überlebt und sind zurück in boston, wo es sich auf der autobahn staut, weil ein stück von der decke heruntergebrochen war und eine frau erschlagen hat. wir werden von gewalt verfolgt in diesem land.
boston ist so sauber und aufgeräumt im vergleich zu new york, welches das chaos ist, der schlappe versuch so eine menschenwohn- und geldmachmaschine unter kontrolle zu halten.
gerade hat jutta aus dem fenster gesehen, weil da ein flugzeug zu hören war, das genau auf unser hotelzimmer losrast. es stellte sich heraus, dass es sich einfach nur um „low cool“ handelte.
wir hängen jetzt wieder permanent am internet-tropf und haben wieder all die kontakte wiederaufgenommen, die uns vor new york so unterhalten haben.

14.7.

geplant: jfk lib und prudential tower

bin zurück vom freshpond clockwise. es war mühsam, weil müde und lahm, aber dennoch gut, denn nach dem aufstehen war ich noch kaputter. ich bedaure immer noch, in new york keine laufschuhe mitgehabt zu haben, die stadt nicht berannt, den central nicht berannt, den hudson entlang nach south manhattan nicht gerannt (mit der 1 zurück)

gedanken beim laufen:
ich habe methoden entwickelt, trotz meiner beschränkten ausgangssituation ein normales leben zu leben und das beinhaltet auch eine gewisse integration.
richard leistet ähnliches. er war der ausgangspunkt meiner überlegung. er ist nicht der hüter von freshpond, er ist fresh pond, seine identität ist mit dem park vor 2 jahren verschmolzen durch eine digitale wurzelvernetzung über einen m.i.t. rechner mit quantenfurunkeln auf der festplatte, ein biohirn, prototyp. die erscheinung, genannt richard, ist ein avatar des parks.
und damit hat richard alle mängel menschlicher persönlichkeit hinter sich gelassen. ausgestattet mit all seinen erinnerungen lebt er nunmehr den rhytmus des parks völlig unaufgeregt und mit aller zeit der welt, über alles nachzudenken.
cynthia einzig weiss von seinem geheimnis und kann damit leben, weil der avatar zumindest stofflicher natur ist und im grunde genommen wie richard, halt immer unpünktlich.

mit meinen methoden kann ich halbwegs meine familie erhalten und die anfallenden probleme kommunizieren. man kann nicht reich werden damit, aber durchaus gut leben.
und das ist schon mehr, als jammern.
aber vielleicht war meine ausstattung auch besser als angenommen.

wir besuchten das jfk museum auf einer halbinsel in einem flachen pott schönen blauen ruhigen meerwassers vom wilden atlantik abgetrennt, durch zahllose neuenglische inselchen, auf denen die ersten siedler landeten. es ist brütend heiss und wir hecheln vom eisschrank u-bahn zum eisigen bus, von da ins eisige museum, in dem wir uns stunden runterkühlen, bis wir alle unter erkältungssymptomen leiden. hier hat franzi ihre passion entdeckt. sie studiert alles so ernsthaft und nimmt es in sich auf. es wird ihr eine wichtige erinnerung sein, wenn sie einst selbst präsidenten der östlichen amerikanischen teilrepubliken sein wird, die mehr mit europa als mit dem rest der vereinigten staaten verbunden sein wird, auch dank ihrer politik. jutta ist ganz schnell fertig und pendelt zwischen backofen draussen und kühlkammer innen. das museum selbst ist eine liebevolle synthese zwischen 60er jahre kulisse, artefakten und information. handschriftliches und privatvideos lassen mich dem menschen annähern. es fehlen völlig die frauengeschichten, wo sind marilyn und ihr birthdaysong?
es fehlen völlig die spekulationen zur ermordung des präsidenten. da hat ein land seinen eigenen präsidenten abgeschlachtet? oder beim abschlachten zugesehen und keine aufklärung erzwungen?

als wir das museum verlassen, ist es Nachmittag, ohne dass es abgekühlt hätte. programmgemäß geht es zum prudential tower von park street an zu fuß durch den boston common, wo franzi´s flip aufgibt und ausgerechnet flop durchhält. ich flicke flip mit einigen runden iso-band siehe foto. jutta ist fasziniert von der hundekelle, einem gestielten werkzeug mit dem man den vollgeschlatzten hundeball aufnimmt und weit schleudern kann.
wir ziehen durch beacon hill mit seinen traumvillen, sehen ein plattgefahrenes eichhörnchen und dürfen beiwohnen, wie moses das meer teilt. franzi ist moses und der trägt eine xl sonnenbrille und sieht damit echt scharf aus. wehenden blonden haares, leicht den verletzten flip nachziehend, quert franzi die straße. und da kommt die wuchtige verkehrswoge zum stehen. in respektvollem abstand verharrt man, und erst als der engel die straße verlässt, kommt der motorisierte ozean wieder ins fließen.

der blick vom sky observatory, unsere letzte city pass-station ist atemberaubend. die hochhäuser des financial district und der charles river mit seinen zarten segelbötchen im goldenen licht der abendsonne, die das licht über den ganzen kontinent in den atlantik schwemmt. wir sind eine stunde oben. jutta quengelt. der aufzug stürzt die 50 stockwerke zurück dass die ohren knacken und wir ziehen zum ausgang durch die eisige mall. jutta quengelt stärker, franzi baut den gegenangriff auf: jetzt sind wir dran schuld, dass du nicht auf´s klo kommst oder so. ich halt mich raus und will eigentlich zum quincy market was gutes futtern. vorher bankomat und das ist nicht einfach. nach einem ganzen fragebogen unverständlichen finanzchinesich melken wir 500 dollar aus der maschine. jutta quengelt schon nicht mehr, droht aber mit sofortigem unterzuckertem kollaps. sie kauft eine emergency banane und irgendeinen riegel. wir denken, das reicht zum quincy market.
es reicht gar nicht. auf dem weg zur u-bahn, bleibt jutta auf einer treppe sitzen und lässt uns ausbremsen. sie sagt damit:
ich bestimme hier das tempo und ich will nicht mehr. stehen bleiben oder ich schieße.
diese aktion vereinigt uns zu einer gemeinschaft der willigen, die wiederum nur denkt: sie zickt und das gewaltig.
wir erreichen die u-bahn, die stimmung wesentlich tiefer als die station. die orange line lässt sich natürlich alle zeit der welt. jutta zickt gewaltigt und meint: sag jetzt ja nichts.
wir fragen uns, ob es sinn macht macht, unter diesen voraussetzungen essen zu gehen.
wir antworten: es geht nicht anders, weil wir sonst verhungern. das ist schlimmer als die beschissenste stimmung. als wir aussteigen rennt jutta einfach los. super zickig, denn eigentlich wollte franzi uns zu wendys führen.
die stimmung durchwandert mitllerweile minus-potenzen und beginnt dahinter bereits mit dem übergang in eine andere dimension, wo plus und minus keine rolle mehr spielen.
wir einigen uns gerade noch darauf, dass wir uns auf nichts gemeinsames einigen wollen und jeder zieht mit 20 dollar los, um seine wunden zu versorgen. (die löcher im verdauungstrakt)

unerklärlicherweise sitzen wir zusammen, kommunikation auf der minimalstufe und siehe da. die sonne geht auf über dem meer. energie beginnt zu fließen, gletscher beginnen erst leicht zu schwitzen, schließlich abzuschmelzen und grüne wiesen des glücks freizulegen, auf denen sich das nunmehr vom eise befreite leben wieder zu rühren beginnt. erste worte, kleine gesten, keine worte zum eben erlebten, aber austausch von getränken und immerhin zarte visuelle kontakte.
die red line, mit der wir zurückfahren, fährt nicht los. der grund: dramatical emergency. meinen die uns?

Monday, July 24, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 10.+11. juli 2006

10.7.

new york

mit dem greyhoundbus um 55 dollar nach n.y. roundtrip.
durch wälder und wälder und wälder und wälder. doch geh nie aufs klo im bus. erstes problem: der weg dahin. gezielte schaukelbewegungen des busses, durchaus gewollt vom chauffeur, der eine wette laufen hat, wie viele er von den beinen holt, lassen einem die chance, allen friedlich sitzenden, die man passiert, eine zu verpassen oder sich die hüfte an einer rückenlehne zu demolieren, beides reizvoll. ältere sind chancenlos. sie tapern verloren dahin, sich an der gepäckablage stabilisierend.
zweites problem: die kotzlust zu überwinden, wenn man das klo sieht.
drittes problem: trotzdem sein geschäft zu verrichten, und zwar trotz der heftigen schwerkraftschwankungen und fliehkräfte und dabei der optik des klos nicht noch weiteren schaden zuzufügen.
viertes problem: nicht von der gefährlich schwappenden brühe von unten angeklatscht zu werden.

ich schaffe es und bin froh, dass es kein foto von meinen entsetzlichen schwebezuständen über dem orkus gibt.
die nächste scheisse, die mich erwartet ist eine fetzerei mit franzi, die meine bemühungen, herauszufinden, welchen weg wir gerade nehmen mit zunehmend verächtlichem gymnasiastenspott kommentiert. ich fahr ihr über´s maul und die stimmung ist auf unter null. jeder erlebt für sich alles weitere und ich nehme mir vor, herauszufinden, ob die fetzerei der beginn der unausweichlichen urlaubskrise ist, die mir noch aus letztem jahr in bester erinnerung ist. das hat tage gedauert, bis da wieder basis-kommunikation möglich war.
nach einem entsetzlichen umweg laufen wir im times square ein, einer heißen hölle unter der erde voller röhrender greyhounds und voller benommen aus den bussen taumelnder reisender. und schon wartet die nächste kühlhalle, um uns sofort in das gedärm der metro zu stoßen die nichts von airconditioning gehört und gesehen hat.
wir schaffen es in die 1 und erfahren bald in gebrochenem deutsch, dass wir die expressbahn erwischt haben. ist aber nicht schlimm, wir müssen nur eine station zurück und entsteigen dieser stickigen hölle um direkt am broadway höhe 79. straße aufzutauchen. erstes ohh. das hotel ist schnell erreicht, in ordnung und wir pausieren ein bisschen. es heißt hotel 307 und das ist exakt die zimmernummer unseres bisherigen hotel tria.
dann in der dämmerung die erste exkursion um den block. übrigens verfolgt uns das verbrechen. in freshpond gab es letzte nacht eine vierfache verhaftung nach verfolgungsjagd einer autodiebesbande inclusive schießerei auf dem parkplatz direkt neben unserem hotel. wir hörten nichts, weil low cool alles übertönte, und in lower east ist gerade ein haus in die luft geflogen, der versuch eines zahnarztes aus der welt zu scheiden, gescheitert im übrigen. wir essen beim italiener pizza, salat und linsensuppe und alle ungemach ist vergessen. franzi und ich diskutieren, ob man jemand brauchen sollte. es geht um unabhängigkeit innerhalb einer beziehung. jutta kichert jedes mal irre, wenn ich was dazu sage. sehr unpassend, wie wir beide finden. deshalb schicken wir sie auf den dachboden der pizzeria zum aufräumen. dort wird sie den aufgelassenen busbahnhof erforschen können, den die italiener stück für stück hier aufgebaut haben. in der zwischenzeit beenden wir das thema mit einem dossier, das morgen am times sqare veröffentlicht und anschließend in form von flugblättern im central park verteilt wird. jutta kommt zurück und ist sauer, weil sie sich schmutzig gemacht hat. selber schuld.
wir kaufen karten, zeitung und frühstück und als es fast dunkel ist, ist da euphorie in den augen meiner tochter, die sonst nicht so leicht hinter dem ofen hervorkommt. der broadway glitzert milde und einige häuser jenseits des hudson zwinkern uns aus vielen wachen augen zu.

11.7.

erster tag: nach south manhattan, ground zero durch die wall street und lady lib besuchen. finale am times square.

lady liberty wartet. ich liege wach, es ist sieben und low cool macht auf boeing 747. ich bedaure sehr, keine laufschuhe mitzuhaben und durch den central joggen zu können. aber nach diesen worten und dem morgendlichen abschlagen werde ich zumindest den hudson aufsuchen und ihm huldigen, vielleicht ein kurzes bad darin nehmen und einem kanalkrokodil zum opfer fallen.

den hudson habe ich überlebt, d.h. die vielen doggodile, joggodile und bike-odile und automodile. der flusspark ist sehr schön, breit von hohen bäumen beschattet und voller blüten. ein paar leute scheinen da auf den bänken gepennt zu haben und sind nicht ermordet aufgewacht. ich komme aus dem staunen überhaupt nicht heraus in diesem land. es türmt sich da am parkrand ein gebirge aus dunklem fels gegen die randstraße mit der ersten häuserreihe. die ganze insel, all diese wolkenkratzer, shops, starbucks, millionen menschen reitet auf buckligem wildschönem felsgebirge neben dem hudson zum meer.
ich muss zurück und versuche aus irgendeinem diner noch ein paar päckchen zucker mitgehen zu lassen für unseren instant kaffee. vor einer kirche liegen 3 menschen in pappschachteln, wie in sarkophagen und schlafen, während die stadt erwacht. wir frühstücken und wappnen uns für eine tour de force.

mit der 1 geht es laaange 12 stationen nach süden. der ausstieg überwältigt nicht gerade. es geht durch dreckige laute straßen mit einem beeindruckenden amish laden und restaurant in richtung financial district. und dann am ende der straße eine barrikade.
ground zero wäre nur noch eine riesen baustelle, würde nicht auf plakaten immer wieder mal hingewiesen auf das, was da vor jahren passiert ist. ich versuche mich, in den piloten zu versetzen, der diese herrlichen türme auf sich zukommen sieht, den touristen in der nähe, der dieses seltsamen geräusch hört, das vermutlich nicht sehr laut war, weil der grundpegel hoch liegt. das gelände ist riesig und wir umwandern es zur hälfte. wenn ich arabischer mann wäre, der amerikanischem mann wehtun möchte, würde mir auch als erstes einfallen, diese präpotenten schwänze von hochhäusern niederzukastrieren. durch sengende feuchte hitze finden wir die wall street und rasten am haupteingang der börse, hingeflezt auf eine steinbank, während die börsenheinis wie die bienchen in ihren und aus ihrem stock schwirren, man nennt das hier „stock exchange“.
noch intensiver erholen wir uns im nahegelegenen starbucks.
richtung ferry geht es durch enge hochhausschluchten, durch die in the day after tomorrow so schön das wasser schiesst richtung brooklyn bridge, die in godzilla so schön demoliert wird. als wir das terminal erreichen, wollen die mädels plötzlich gar nicht mehr aufs schiff und ich bin zumindest überrascht und muss mich niedersetzen. so sitzen wir in dieser seltsamen clinton-festung, in der es die tickets gibt und versuchen zu sondieren, wer eigentlich was überhaupt will, auf keinen fall will, möglicherweise lieber möchte, eigentlich drauf scheisst usw. über eine meinungsbildung, deren verlauf ich gar nicht mehr nachvollziehen kann, kommen wir zur entscheidung: wir fahren nach liberty island und alle wollen das auch.
zur ferry gelangt man über ein zickzacklaufstallsystem inklusive röntgencheck wie am airport, gescheucht von uniformiertem gebrüll von anweisungen oder auch deutlichem gewinke, wie beim straßenverkehr. wir werden aufs oberdeck zu den besten plätzen gespült und geben sie nicht mehr her. wir steigen weder auf liberty noch auf ellis eiland aus und genießen das sich entfernen von den wolkenkratzern, das rituelle umtanzen der lady liberty. die nicht so riesig ist, wie in der vorstellung. auch mannhattans hochhausbestachelung hatten wir uns dichter vorgestellt, all das wird wohl in den medien übertrieben. wir sind zufrieden mit unserer tour, auch weil das schiff manchmal sehr schön schaukelt. die menschen stehen an deck, sind friedlich und fotografieren viel. an der anlegestelle erwarten uns 2 typen einer breakdance-gruppe, die sich ein publikum zusammensuchen.
zurück klappern wir uns durch starbucks und shops zur zwischenkühlung, erwerben unterhosen von calvin kline, eine xl sonnenbrille, t-shirts, die unsere liebe zu new york bezeugen.
unser erster tag endet am times square. dort ist das auftauchen aus der metro gewaltig, weil direkt zwischen die schluchtenwände. etwas benommen fotografieren wir diese projektionsflächen für all das, das uns interessieren sollte. ein gewaltiges kapitalistisches lustzentrum fürs auge.
schnöde shops bieten 5 new york t-shirts um 10 dollar, der nächste 6 und am ende sind es 7 t-shirts, die wir nicht erwerben. nur die lausigen magnete bleiben an uns kleben.völlig fertig landen wir kurz vor unserem hotel in irgensoeinem nick´s burgerschuppen mit einem schroffen miststück von kellnerin, die einem dauernd über´s maul fährt und überrascht aufgiekst, als sie sieht, dass ich ihr ein gutes trinkgeld gegeben habe. die speisekarte ist ein vollgepacktes a5 heftchen ohne jeden glanz, durchsetzt mit massenhaft proben aller angebotenen speisen. franzi isst fries, jutta einen avocado-salat und ich passenderweise einen boston burger mit baked beans und dazu einen halben liter köstliches eisiges heineken, das alles für 32 dollar, sitzend am broadway, von allen göttern verlassen, von allen teufeln umschwirrt und jeder menge yellow cabs.

fortsetzung folgt erst demnächst wegen rückflugs.

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 8.+9. juli 2006

8.7.
läufchen nach harvard über concord ave
museum of science
fußball-wm, spiel um den 3.platz
einladung zum dinner bei cynthia und richard

richard holt uns gegen 6 p.m. ab, d.h. eine halbe stunde später, weil richard ja fotografieren muss. durch den park zur huron ave, was ebenfalls die doppelte zeit braucht, weil ja richard fotografieren muss. er bleibt stehen wegen einer blüte, einer schnecke, wegen hunden, irgendwas auf dem wasser, fireflies, und dingen von denen wir nie erfahren werden. er ruft cynthia an, dass wir uns verspäten. die ist diesen kummer gewohnt. der anruf hat auch lange gedauert, weil richard durch das viele fotografieren nicht richtig gelernt hat, wie man mit dem handy umgeht.
endlich da, wir wurden mehrfach vor dem haus abgelichtet, begrüßen wir cynthia. sie zeigt uns das haus, bewirtet uns fürs erste. aber das eis bricht schnell, als wir uns fotoalben anschauen und einblick nehmen in familienverhältnisse und vergangenes.
cynthia´s familie kommt aus new jersey. ihr vater lebt vom automobilhandel.. für jedes mitglied der familie gab es ein eigenes fahrzeug. grundsätzlich war alles, was motorisiert war, willkommen, wie jetski, rasenmäher, bikes usw. richard ist bei der familie nicht so beliebt, weil er ja ein verweigerer und systemkritiker ist. er wurde gar von fbi-beamten verhaftet und saß dann ein weilchen, während des vietnamkrieges. er schaftt es, unsrem mitgebrachten barrique-rotwein von meister mawe aus gols fruchtsaft hinzuzufügen. hier wäre eine weitere verhaftung angebracht gewesen und als angemessene strafe eine woche erntearbeit in einem burgenländischen weingarten.
einige gespräche, cherry-weed biere und snacks später wissen wir genug voneinander, dass wir die unterhaltung genießen können.
wir lachten eine menge, noch mehr franzi über uns, denn in amerika ist alles strange. wir werden freunde, zumindest für den abend und wir erhalten unterkunftserlaubnis für eine woche, mit terasse vorm schlafzimmer. wahrhaftig eine positive klimaerwärmung. richard begleitet uns mit cassidy dies auf dem schnellsten weg ohne pause , weil es ja zu dunkel zum fotografieren ist, zum hotel.

nachtrag zu richard:
der vater seiner frau war ein reicher mann in boston. sein traum war, in wien bei reich zu studieren. sein vater verbietet es ihm und so mutet es posthypnotisch an, dass es schließlich richard ist, der nach wien zu reichs lausigstem schüler zieht.
aus der lockeren verbindung richard´s mit seiner ersten frau, stammt seine tochter cheyenne.

9.7.

lauf zum charles river, weiter am ufer bis harvard, zurück über concord ave
eigentlich nixtun:
jutta und franzi in den fresh pond zum chillen
zurück zum endspiel um 2p.m.
ich mit der red line zum strand in der nähe der jfk bibliothek
abends packen für n.y. morgen früh

ich liebe diese läufe, weil sie mich mit dem land alleine lassen und ich mir die orientierung erarbeite und mein revier erkunde und mein refünf erweitere. beim underground fahren sieht man nichts, beim busfahren huscht alles vorbei und man ist sealed, d.h. kein geruch kein geschmack und leichte verdunkelung, beim laufen ist alles wahrnehmbar mit allen sinnen und beim spazieren gehen kann man noch dazu drüber quatschen.
langsam getraue ich mich, wie gewohnt straßen zu überqueren, wenn sie frei sind und nicht an den vorgesehenen übergängen, das ersetzt die gefahr und die instinkterfordernis der freien wildbahn. ich werde gejagt und versuche zu überleben. anfangs schwerfällig beginne ich raum zu greifen und das vorwärts kommen ermutigt mich und lässt die schwere schmelzen. nach dem frühstück trennen wir uns, wie geplant und meine odyssee mit der red line beginnt. die ist übers wochenende unterbrochen zwischen kendall m.i.t und park street. dazwischen verkehren shuttle busse. das ganze öffentliche verkehrspack wird von t-gelbhemden (denen mit der größten klappe) geleitet, dirigiert. es ist wie eine stampede, hin und wieder reitet der cowboy in die herumtaumelnde menge und drängt sie an den richtigen rand, um eine andere herde durchzulassen. die typen müssen abends so was von heiser oder gar stimmlos sein. in den transitzonen schlägt die sommerhitze gnadenlos zu und taut die niedergekühlten insassen auf. ich erreiche jfk und stehe in so einer stadtrandwüste mit ausfallstraßen und seltsamen und massenhaft betonierten flächen. es riecht nach abgasen, ist laut und heiss. der weg zum strand ist nicht ausgeschildert, aber die himmelsrichtung hilft mir. es gehört eigentlich alles noch zu boston harbour und vorgelagertes inselzeugs lässt das meer zum teich werden mit sanftem wellengeplätscher wie an der adria. das wasser ist so eisig, dass ich nur einmal komplett eintauche und es nicht bis zum paradoxen hitzeempfinden schaffe. überall liegen muscheln im gelblichen sand und farblose quallenfladen haben jedes leben ausgehaucht.
ich schlafe in der brütenden sonne, das beruhigende geplätscher flüstert mir scheiss drauf ins ohr, während meine noch bleiche haut lautlos warnungen brüllt. das ergebnis dieser solaren belichtung hab ich erst am abend, als sich das bild entwickelt hat, nicht extrem aber es brennt beim wälzen im bett.

Saturday, July 22, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 7. juli 2006

7.7.

plan: laufschuhe kaufen, museum of fine arts, hard rock café


die sonne scheint und meine runde im park habe ich hinter mir. meine tochter ratzt noch und jutta sitzt allein beim frühstück und gibt sich ihre kaffee-infusion.

gestern wieder in downtown. wir lieben sie. sie ist unser wald, unsere höhle, hölle, wunderwelt. wir treiben uns auf dem quincy-market herum, essen da mit vielen anderen und sehen auch die einundandere strassenshow, kaufen den boston pass, der unsere nähere zukunft regeln wird. das aquarium ist ein glaspott mit fischen, die die ganze stadt boston erfunden haben, den tourismus entwickelt und auch den boston pass. in einer galerie lassen sie touristen an scheiben vorbeiwandern, um die spezies wissenschaftlich zu untersuchen. manchem blöder barracuda mag das auch lediglich als unterhaltung dienen.
beim rückzug streifen wir eine breakdance gruppe, die furios anfängt, sich dann aber beim geld absammeln verheddert. es ist ihnen zuwenig und sie lassen uns und ein paar kinder warten. hut drauf. dann lieber ins macy’s. jeder kriegt was, nur ich geh leer aus, weil meine interessen sich nicht decken mit dem geschmack von jutta. hut drauf.

manchmal spüre ich auch den big bang unter mir. diese explosive mischung aus freiheit des wollens und begrenzheit der mittel. alles geht gut, solange es allen halbwegs gut geht. aber die kritische masse ist gewaltig.

warum ist dieses land nicht indianerland?
sie haben es verloren gegen invasoren.
warum sind die europäer überhaupt ausgewandert? hast du dich nie gewundert?
es war ein überpotential von wissen, kraft, intelligenz, willen, sich neuen lebensraum zu erschaffen. die westliche kultur hat überschss produziert. trotz kriegen und anderen konflikten gab es mehr fähigkeit/quadratmeter als ein land verträgt.

eine andere theorie, warum sie alles kontrollieren wollen, überall gebote, verbote: schwimm nicht allein, tauch nicht, geh jetzt über die straße, fahr nur 30 meilen und all dies ist,
dass sie eine welt im zaum halten, die ihnen ja gar nicht gehört, die wild war, die schmutzig war, gefährlich und in der sie erst ein paar lächerliche generationen lang versuchen, eine ordnung reinzubringen, diesen europäischen standard, ein raster an kultur, der wie eine schicht über allem liegt.
wo europa bereits wieder naturnah zurückbaut, dem natürlichen chaos eine kleine tür öffnet, ist hier alles "under construction".

treffen uns mit richard um 11am am harv square. natürlich verspätet er sich, denn er verspätet sich immer, weil ihm die zeit einfach davon läuft. er ist slow, andere wahrnehmung der umwelt, anderes zeitgefühl, basta. so langsam synchronisiert er sich mit der geschwindigkeit des parks, die ja fast außerhalb unserer wahrnehmung liegt. seine silhouette hat breite, weil er ja untersetzt ist und dazu klamotten trägt, die das verstärken: breite shorts mit ausladenden backentaschen für gesammeltes,
und obendrauf diesen deckel, rund und flach, eben tom bombadil. schade, dass ich nicht elektronisch zeichnen kann.
richard und ich separieren uns und begeben uns zum schuhladen. richard möchte, dass ich meine side-show mitbringe, damit keine leerräume entstehen, in die dann diese gift eindringen könnte. er möchte am liebsten den gesamten ablauf planen, um troubles zu vermeiden (siehe amerikanische kontrollwut).

im schuhladen, schaut sich einer der boys meinen gang von vorn und hinten an, selbst in der hockstellung verharrend und meint anschließend, dass meine füße leicht auseinander streben und ich proponiere. ich bin verblüfft, weil dies alles bestätigt, was ich mir denke, und weil er das so treffend und schnell gesehen hat. noch dazu gibt er mir einen asics schuh, der fast wie meiner ausschuht , nein aussieht. richard wollte mir eigentlich seine nagelneuen nikes verpassen, die mit dem barfussfeeling, geiles zeug, wovon mir allerdings abgeraten wird, weil es kein laufschuh ist. ich vergleiche 3 paare und entscheide mich schließlich für ein japanisches pärchen, während richard rührend auf meinen rucksack, mein hemd und meine sandalen achtgibt. als am ende 5 einzelschuhe sich um meine füße tummeln, wird er nervös, weil da etwas nicht stimmen kann. er beginnt zu schreien und lässt sich nur von seiner indianischen großmutter, die eigens aus wyoming eingeflogen wurde durch ein kräuterbad beruhigen.
ich lasse meine kreditkarte 90 dollar hinlegen und wir verschwinden.
jutta ist ein bisschen böse, vielleicht weil wir männer spass hatten, oder weil wir eine ganze halbe stunde verspätet sind.
all dies ist vergessen, als wir im airconditioned au bon pain nobel aus plastikschüsseln tafeln.
zum mfa fahren wir mit red und erstmals green line. eine souveräne dame schleust uns über indien nach ägypten, griechenland, lässt monumentales einfach so vorbeifliegen, bleibt aber so im plan und kann die führung am selben tag beenden. in wunderschönem moderat beschleunigtem englisch erzählt sie uns, wie ganeesha zu seinem elefantenkopf kam, plaudert sie über die bemühungen der impressionisten mit ihrem outdoorgepinsel das licht einzufangen und dass irgendso ein amimaler immer 2 drittel himmel und ein drittel meer. meine franzi so alles andere als der museumstyp, die ich zuhause mit dem ansinnen, eine ausstellung anzusehen übel verstören kann, lauscht aufmerksam den ausführungen.
doch eben als unser guide uns ans herz gewachsen war, endet die führung. jutta hat das tempo nicht geschafft und ist zwischen irgendwelchen vasen gestrandet. wir treffen uns schließlich, um doch ein paar sachen noch mal zu sehen, oder ganze flügel des gebäudes zumindest einzusehen. eine fotoausttellung einer amerikanerin fasziniert mit riesenformaten. landschaften und menschen in idaho.

wir fahren ein paar stationen zum john hancock tower, um das hard rock café zu finden und kommen ins gespräch mit einem jungen russen, der überaus engagiert mit uns diskutiert. er scheint den derzeitigen präsidenten, bush oder so, gut zu finden, lästert über russland, lobt europa, ist aber auch kritisch gegenüber den usa eingestellt. er empört sich über die vielen alten, die mit bechern herumstehen und groschen sammeln müssen, um überleben zu können. währendessen vergoldet die abendsonne die mächtige glasfront vom langen hancock und wir ziehen um die ecke zum café. dort bedient uns corinne, was sie uns auch deutlich mitteilt, wir essen french fries, onion rings und gefüllte kartoffeln.

Friday, July 21, 2006

Boston-Tagebuch oder "Fragen an Richard" 3. bis 6. juli 2006


ankunft

3.7.

best western, zimmer 307, kurz nach 5 p.m., das heißt 23 uhr zuhause. klar dass ich wach bin und schon mal pinkeln musste. ich habe den „fan slow“ aktiviert, nachdem „low cool“ mir einen furchtbaren hustenkrampf beschert hat. „low cool“ hört sich bereits so an, wie wenn eine baumaschine hochtourig aufdreht, um tonnen gestein zu wuchten, verständlich dass ich mich vor „high cool“ ein wenig fürchte. es ist bereits ein wenig hell draußen und unglaublich ruhig. bis auf „fan slow“ der sich nicht ganz so wild wie die „cools“ gebährdet. ungewohnt ist es, kein fenster aufmachen zu können. das hotelzhimmer ist hermetisch gegen die umwelt abgeschottet.
richard hatte uns nicht empfangen, als wir aus dem zoll rauskamen, nach überstandener einwanderungsprozedur (ich will ja nix sagen, wer weiss, ob das jemand liest)
eigentlich kamen wir ganz gut zurecht. da war eine nette dame am info und beschrieb mir exakt und grafisch unterstützt durch einen plan des öpffentlichen verkehrsnetzes den weg zum hotel. das ist die endstation der red line, „alewife“ (gesprochen, wie wenn ein besoffener, dem sie die zähne ausgeschlagen haben, versucht edelweiss zu sagen)
taxi, meinte sie, könnte locker 50 bucks kosten, der bus/underground zusammen 4,50. wichtig: geld passend haben. also geldwechsler und da kam die 25 cent-plage. dann mit der silver-line, einem bus, zur red-line, inbound!!! einer underground und zwar ohne ein ticket zu sehen, bezahlt hatten wir, of course. jutta im tiefen koma sitzt ineinandergefaltet, mit dem kopf unter den flügeln und lässt machen. wir machen alles richtig, schnuppern die ersten eindrücke, sind tief bewegt, wenn bus oder u-bahn plötzlich die wolkenkratzer präsentieren, so nebenbei. die leute sind freundlich, hilfsbereit, doch wir wurden ermordet.
also alles ging gut, bis auf doch so ein bis zwei kilometer zu fuß von der endstation bis zum hotel, mit denen ich nicht gerechnet hatte, in sengender Mittagshitze, verschwitzt, gejetlagt und fertig. ich übernehme auch juttas fracht über eine brücke drüber. jutta immer noch im koma, wird, wohl wegen ihrer deutschland-handtasche von einem fußball-fan angequatscht, als ich unser ziel sehe, hotel tria, nebst einer shoppingmall, umzingelt von ausgedehnten parkplätzen.
wir sind in amerika.

ab diesem teil der story verliert sich die spur von jutta in einem big-mac von doppelbett, nicht so breit aber hoch.
franzi und ich gehen nach einer dusche in den supermarkt schnuppern. die himbeeren waren leider schimmlig und die frau an der kasse war sauer, weil wir aus der reihe tanzten. aber sonst ein geiler laden, duftdurchdrungen von ayurvedanischen heilsalben und indianischen gewürztinkturen.
in der lobby wartet richard, gedrungen in weissen shorts, wie ich und einem weißen t-shirt, nix besonderes. auffallend ist das hütchen, so ein rundgerät, wie es manche schmetterlingsforscher tragen. ich bin überzeugt, dass er tom bombadil verkörpert. wir verkrümeln uns im starbucks und wir erfahren eine menge in kurzer zeit. mir schwirrt der schädel und mein körper verkrampft sich ob der eisigen klimatisierung. seine tochter cheyenne ist mit ben affleck gegangen und warum cynthia böse auf mich ist, über das gewaltige potenzial dieses ortes, genius loci. bill gates hat hier sein studium abgebrochen, als richard die boston computer society mitaufbaute.
wir lassen uns anzünden und so lodernd, machen wir uns auf den weg zur freshpond reservation, einem park direkt neben dem hotel mit einem wassereservoir, das wie in einem hochsicherheitstrakt vor menschlicher nutzung geschützt ist. da tummeln sich jogger, hundeführer, radler und richard fotografiert da jeden tag seine tierchen und pflänzchen in ihrer langsamen relativen bewegung. denn er ist tom bombadil, hüter und schützer von freshpond. es riecht gut, die sonne sinkt langsam etwas gegen den horizont, macht nachmittäglich-abendliches goldlicht und zuhause ist mitternacht weitvorbei.

das reicht für den anfang, und wir verabschieden uns. morgen ist DER FEIERTAG und da sollen wir zum harvard square gehen und die leute anschauen. danach feuerwerk.

4.7. nationalfeiertag

wir benützen die red line um nach harvard zu kommen. es ist heiß und wir sind 3 elemente, die unter temperaturstress koordinationsprobleme entfalten. da würde jeder gerne seine wege gehen und ich kann mitfühlen, wie es meiner tochter geht, die ständig mitkriegt, dass die alten nicht alles mitkriegen. und ich kann mich verstehen, dass ich nicht als trottel dastehen will. harvard ist leer an studenten und nicht besonders voll mit touristen. eine deutsche gruppe wird deutsch über die 3 lügen des john-harvard-denkmals informiert, eichhörnchen raffen wissenswertes und richten in den bäumen büchereien ein, diskutieren über den irak-krieg und sind sich über bush einig. hin und wieder lassen sie quantenschaum auf die touristen rieseln. doch all das lässt uns hungrig werden und schließlich nach dem kauf von ersten harvard-devotionalien ins „au bon pain“ gehen, wo wir draußen sitzen und von johnny cash musikalisch unterhalten werden. überraschenderweise spielt er beatles songs.
noch ein blick auf den charles-river und große teile der mannschaft ermüden mehrgliedrig. rückzug ins hotel, knapp vor einem t-storm.


richard mailte, dass er seine parkrunde dreht und bei uns vorbeikommen kann, 15 uhr 57. ich ging runter um ihn ev. zu treffen und da saß er (nicht richard): der letzte indianer der vereinigten staaten. zuerst war es ein einfacher radfahrer, der da vor einem imbiss seinen snack verzehrte. dann bemerkte ich indianisches haar, ergraut zu einem zopf gebunden und die inuit-ähnlichen züge. gerne hätte ich ihn fotografiert, heimlich, wie es meine art ist. dann fürchtete ich, seine indianischen instinkte würden ihm in der glasspiegelung der imbißbude meinen angriff verraten und ihn nötigen, seinen tomahawk oder zumindest sein messer nach mir zu werfen, doch zumindest mich bloßstellen. „meinst du greenhorn wirklich, du kannst einen indianer täuschen?“ geschlagen passiere ich ihn, um die straße zum park zu queren. auf dem rückweg kommt mir mein freund, der letzte indianer amerikas auf dem rad entgegen und ich gebe ihm den namen „chief fast bike“, denn ich sehe, dass es sich um ein straßenrennrad älterer bauart handelt. unsere blicke begegnen sich und in diesem kurzen moment kommt es mir vor, als hätte chief fast bike in meinen augen den ganzen schlamassel gesehen, den ich mir so zusammendenke. ein lächeln und die andeutung eines grusses huschen über sein schönes gesicht und da weiß ich, dass wir brüder sind, denn auch ich bin eine art letzter indianer. keiner will das wahrhaben.

richard kommt dann später ins hotel und wir übergeben unsere friedensgaben: pottery und papier mit informationen was den friedrichshof betrifft. deutschland hat gerade gegen italien verloren. wir quatschen über vieles und lassen einiges aus.
richard stammt aus wyoming, nahe den nationalparks von einer farm.
wir holen uns im whole food essen, das man hinter den kassen an kleinen tischen verspeisen kann. es schmeckt gut auch in seiner schärfe. übrig bleibt ein haufen pappe und plastik, die wir brav entsorgen.
mit der red line fahren wir zur station charles, wo bereits die ganze brücke mit menschlichen leibern bepelzt ist. dazwischen rinnen kleine ströme, die noch weiter hinaus wollen. wir fädeln uns ein und bleiben an einer stelle, wo man eben die silhouette der hochhäuser sehen kann. wir sitzen, hängen, stehen am rand und lady liberty zieht an uns vorbei, rapper, basketballer, donut-geschwängerte festungen, sämtliche hautfarben der welt. wir sind ein bisschen belämmert, weil wir normalerweise jetzt gerade aufstehen würden, aber dann geht’s los. Furios der beginn, ohs und ahs, besser als gandalf, doch dann verdeckt eine gewaltige rauchwolke der ersten raketen den sicher sehr hübschen rest der performance. ein paar mondraketen können sich durchsetzen und wir treten den rückzug an bevor der offizielle schlußbäng die millionen von der brücke schickt.

5.7.
ich jogge in der früh im fresh-pond-park. endlich. ich erlaufe mir den kontinent, komme gut voran, flankiert, begleitet, geschnitten von wohlerzogenen doggies und etlichen nobelpreisträgern, vorbei am wasserwerk, laut richard dem tadj mahal moderner wasseraufbereitung und gelange schließlich zu richards siedlung, einem kompex von reihenhäuschen gereiht und gestaffelt hintereinander. auf dem rückweg gerate ich auf den golfplatz und werde von 2 opas, bestimmt und freundlich , erschossen, dann hinauskomplementiert und -eskortiert.

heute ist es soweit. nach dem frühstück erobern wir downtown. wir scheitern wieder mal am bus, der spät kommt und dessen haltestelle auch nicht näher als die der red line ist. außerdem zahlen wir 2 mal den token. wurscht. all dies ist unwichtig und schrumpft angesichts der ersten wolkenkratzer unseres lebens, die uns in ihrem schatten dulden. franzi scheint der fotoapparat amok zu laufen. sie ist am ziel. das hat sie gesucht. wir entern den ersten supermarkt und kaufen irgendeinen scheiss. weiter durch die schluchten zur south station, da ist ein kleiner markt. ich kaufe himbeeren für 3 dollar 50, jutta 2 brötchen. von hier schauen die türme traumhaft schön aus und wir knien innerlich nieder.alles ist sehr sauber, auffallend viele baustellen, der rest vom big dig, der in den 90ern angefangen hat und zum big dump wurde. endlich der hafen. jutta meint ja, dass es mich immer zu flüssen und zum wasser zieht. ist sicher was dran. erste erschöpfung, wir rasten bei den ferries, essen hot dogs vorm aquarium und die schmecken gut, immer mit salat, eine coke und ein foto. alle sind glücklich.

wir entscheiden uns eindeutig gegen die rundfahrt mit dem blöden trolleybus und dafür am ende unseres aufenthaltes boston-tickets zu kaufen mit denen man eine reihe museen abklappern kann um den halben preis und wir wollen soviel wie möglich rausholen aus der stadt.
aber erstmal landen wir bei den nippes-buden und kaufen blöde magneten und t-shirts, wie es sich gehört. zurück über den quincy-markt. jutta fährt zum hotel, um frankreich-portugal zu sehen. franzi und ich genießen die shops und werden zeugen einer patriotischen performance einer gruppe von jugendlichen gestart und gestripet. völlig baff sitzen wir auf dem pflaster und lassen „this land is your land“ tief in uns eindringen, amerikanischer geist, wie aus dem bilderbuch, völlig unerwartet, gibt es das wirklich? pausbäckige mädchen mit leuchtenden augen und herrlichen locken, schilder in der hand mit worten wie constitution, mit festem gesang und übersetzt in taubstummensprache. junge männer, picklig, linkisch aber sauber und gut angezogen. der patriotische backsound aus den boxen. etwas aprupt endet der spuk mit einem amerika-lied, das so irgendwie versickert und wuselwusel sind alle weg, vermutlich in einem truck verstaut, alles digital, 3d-projektionen aus dem pentagon.
danach der kontrast, eine rap-dance-gruppe hart und unglaublich und in gelb, irgendein team.
leider ist unser fotoapparat eingegangen und wir hoffen, dass bloß nichts tolles mehr kommt und wollen möglichst flott zur red line. wird nichts. wir folgen dem freedom-trail, besuchen eine riesen buchhandlung und wollen nicht weg. es ist als müsste man längst ins bett einschlafen, will aber partout nicht aus angst, was zu verpassen und so findet man uns heute noch, wenn wir nicht gestorben sind…
Im Hotel hat frankreich portugal rausgeschmissen und richard bringt uns some good news: cynthia, ein bisschen gerührt durch unsere geschenke has turned again. wir dürfen bei ihr wohnen, wenn sie nach maine fährt zu ihrem vortrag und:
wir sind zum lunch eingeladen am Samstag.
na eben. denn wir sind doch wirklich gute menschen!

Noch was zum thema kaffee: hüte dich vor „fresh brewed coffee“ medium. das ist ein ziemlicher pappkübel mit dünner brühe die aus einem thermosbehälter gezapft wird. brrrr.

6.7.
es regnet
ich umrunde den see und bin erstaunt, wie schnell das geht. ich hatte ihn viel größer eingeschätzt. ein nützlicher instinkt, alles erstmal zu überschätzen.

bisher sehe ich 2 oberflächen des landes:
- da ist der moderne staat, mit seiner ganzen materiellen wucht, seinem wohlstand, der funktionierenden infrastruktur. all das drückt macht und anspruch aus
- auf der anderen seite sind die kanten und risse, wenn unglaublich fette menschen sich eier in den mund stopfen, schwer atmend herumtappen, abgefetzte typen plötzlich anfangen, herumzubrüllen von jesus und my country und my president und wenn aufgezogene puppen nahezu überzeugend parolen singen.

aber eigentlich ist das auf der ganzen welt so.